4. Abmahn- und Gegenabmahnindustrie

Wie bereits mehrfach erwähnt, ist das Corpus Delicti die www.divina-commedia.de

Bei Dante gibt es nicht nur ein Hölle, sondern auch eine Vorhölle. In der Vorhölle landen all die, die so trivial waren, dass sie es nicht mal in die Hölle geschafft haben. Dante meint damit die Blättchen im Wind, die bald hierhin, bald dorthin getrieben werden.

Fama di loro il mondo esser non lassa;
misericordia e giustizia li sdegna:
non ragioniam di lor, ma guarda e passa».

Von ihrem Ruhm blieb auf der Welt nichts über,
Mitleid verschmäht sie und Gerechtigkeit –
Genug davon! Schau hin – und geh vorüber!“

Zur Divina Commedia hat der Autor ja ein gespaltenes Verhältnis, das allerdings ist interessant. Leute die schlicht gar nichts darstellen, Neudeutsch spricht man dann von "neutralisiertem Bewusstsein", schaffen es bei Dante nicht mal in die Hölle, die bleiben in der Vorhölle. Der Autor wird den Verdacht nicht los, dass sich unter dem Personal von Justitia besonders viele Leute befinden, die es nicht mal bis in die Hölle schaffen würden.

Das Rätsel an der Abmahnindustrie, also einer Industrie, bei der nicht die legale Lizenzierung das Geschäftsziel ist, sondern die Produktion und Verfolgung von "Urheberrechtsverstößen", ist die Tatsache, dass Politiker aller Couleur jetzt schon seit drei Jahren darüber sprechen, diese zu stoppen. Seit rund drei Jahren wird von Politikern aller Parteien darüber diskutiert, wie diese zu stoppen sei.

(So auf die Schnelle hat der Autor einen Artikel aus dem Jahre 2011 gefunden Justizministerium sagt Abmahnindustrie den Kampf an den neuesten aus dem Jahre 2013 Union blockiert User-Schutz vor Abmahn-Industrie.)

Über die Frage, warum das so ist, kann man nur spekulieren. Möglich ist, dass allen Politikern klar ist, dass das Urheberrecht in seiner jetzigen Form keinerlei Akzeptanz in der Bevölkerung genießt, wobei inzwischen die Situation eingetreten ist, dass ein an sich vernünftiges Gesetz durch die konkrete Rechtssprechung völlig diskreditiert worden ist. Politiker werden also, Bernd Neumann ist da eine tapfere Ausnahme, wobei wir den Grund seiner Tapferkeit eher in seinem schlichten Gemüt als in seinem Mut vermuten würden, das Urheberrecht, das im Bewusstsein der Öffentlichkeit mit der Abmahnindustrie identifiziert wird, nicht öffentlich verteidigen. Im Gegenzug sind 20 Prozent der Parlamentarier Juristen, ein Prozentsatz, der mit der Bedeutung der Ämter noch steigt.

Von dem Abmahnvolumen von 500 Millionen pro Jahr dürfte der Großteil auf den Streitwert entfallen, die Nachlizenzierung sind Peanuts. In unserem Fall betrug die Nachlizensierung 180 Euro, die Rechtsanwaltgebühren von Eugen Klein und Co, also der gegnerische Anwalt, knapp 1200 Euro. Das würde so ganz grob bedeuten, dass 400 Millionen Euro Rechtsanwaltsgebühren sind. Das macht auf 160 000 niedergelassene Rechtsanwälte 2500 Euro im Jahr. Die Abmahnindustrie ist also durchaus ein relevanter Wirtschaftsfaktor. Setzen wir ein Gehalt für einen Rechtsanwalt von 25 000 Euro an können 16000 Rechtsanwälte davon leben. Dazu kommen noch die Gerichtskosten und auch für Gerichte, siehe oben, sind Prozesse im Bereich Urheberrecht ausgesprochen attraktiv. Hohe Streitwerte, einfache Verfahren. Zwar hat es Richterin Benz vom Amtsgericht Hannover geschafft, selbst an dem einzigen in diesem Verfahren relevanten Paragraphen zu scheitern, dem § 97 Urhg, indem sie von der Klageschrift von Eugen Klein abgeschrieben hat, der mit dem § 32 UrhG argumentiert, welcher die Situation regelt, dass eine Lizenzierung vorliegt, der Urheber aber übervorteilt wurde, aber Frau Benz ist hier wohl eine Ausnahme. (Hoffen wir, ohne es wirklich garantieren zu können.) Wir können also davon ausgehen, dass ohne die Abmahnindustrie so mancher Rechtsanwalt inzwischen Hartz IV Empfänger wäre. Bei den 500 Millionen sind auch die Summen nicht enthalten, die der Rechtsanwalt des Beklagten erhält. Das Geschäft ist also sehr attraktiv und hat ein hohes Volumen.

Nimmt man alles zusammen, also die Nachforderungen aus der Lizenzanalogie, die Honorare der Rechtsanwälte des Klägers- und des Beklagten und die Gerichtskosten, dann dürften mehr als eine Milliarde Euro zusammenkommen. Da der Gesamtumsatz der Musikindustrie in Deutschland nur 1,6 Milliarden Euro beträgt, wäre es eigentlich sinnvoll, den Verkauf von Musik komplett einzustellen.

Dann würde wesentlich mehr raubkopiert und es wäre ein wahrhaft gigantisches Business. So abstrus die Überlegung klingen mag, tatsächlich ist sie bereits Realität. Verwaiste Werke z.B. sind meist gar nicht im Handel erhältlich, trotzdem hat in den meisten Fällen aber irgendein Musikverlag die Nutzungsrechte, bzw. die GEMA vertritt den nicht auffindbaren Urheber. Die einzige Möglichkeit damit Geld zu verdienen ist über § 97 UrhG. Von daher ist die Klage der GEMA gegen Youtube ökonomisch völlig logisch. Eine ähnliche Situation haben wir bei dem Buchprojekt von google. Goolge scannt hierbei alle Bücher verschiedener Bibliotheken, größtenteils Bücher, die gar nicht mehr käuflich erworben werden können, deren ökonomischer Wert also Null ist. Scannt google nun die Bücher, steht natürlich sofort die VG Wort auf dem Plan (Positionspapier zum Urheberrecht), sieht den Urheber dem schrecklichen Datenkraken schutzlos ausgeliefert und springt ihm selbstlos zur Seite. Durch irgendwas muss man seine Existenzberechtigung ja rechtfertigen.

Der Autor würde sagen, dass all diejenigen, die glauben, dass so ein Geschäftsmodell, Einstellung des legalen Verkaufs und Umsatzgenerierung durch Nachlizenzierung gerichtlich keinen Bestand hat, irren. Dieses Geschäftsmodell hätte gerichtlich bestand, denn zumindest Richter bei Amtsgerichten sind, das ist die Erfahrung des Autors, schlichte Gemüter.

Der Autor schätzt, dass es etwa 6 Millionen urheberrechtlich geschützte musikalische Werke gibt. Hiervon haben drei Musikverlage, BMG, Universal und Warner das ausschließliche Nutzungsrecht an etwa 3 Millionen. Bei diesen Zahlen ist klar, dass bei der überwältigenden Mehrheit an musikalischen Werken überhaupt keine aktive Vermarktung stattfindet und Umsatz wird allein über § 97 UrhG erzielt. Schafft man es, wie die GEMA durch die GEMA Vermutung, tatsächlich das gesamt Repertoire an Musik zu monopolisieren, ist der § 97 UrhG ein sinnreiches Geschäftsmodell. Da die Werke nicht vermarktet werden, wird sich irgendjemand finden, der „raubkopiert“, im Zweifelsfalle eben youtube und Co.

Bedingungen hierfür, also für dieses und ähnliche Geschäftsmodelle, ist natürlich, dass man seine Position, also dass der Grund aller Probleme der Kultur- und Nachrichtenindustrie die Verletzung des Urheberrechts ist, wirksam vor der Politik vertreten kann. Genau das gelingt aber offensichtlich, denn seit sieben Jahren will die Politik den Abmahnwahnsinn verhindert und seit sieben Jahren passiert, unabhängig wer gerade regiert, schlicht nichts. Das gelingt deshalb so gut, weil alle Akteure der Kultur- und Nachrichtenindustrie von den gleichen Problemen betroffen sind. Ausdehnung des Angebots, Zersplitterung des Marktes, neue Vertriebskanäle, neue Mitbewerber. Da alle Akteure auf diese Situation keine Antwort haben, bietet sich das Urheberrecht an: Als Sündenbock und zur Generierung von Einkommen. Insofern sind die Interessen der Zeitungsverlage, des Buchhandels, der Musikindustrie, der verschiedenen Verbände der Fotographen etc. etc. gleich und durch die kompakte Organisation, können sie ihre Interessen höchst wirkungsvoll vertreten. Zwar schafft es das Internet darzustellen, dass die Akzeptanz des Urheberrechts, genau genommen der Rechtssprechung und der daraus resultierenden Abmahnindustrie Null ist, aber Politiker und Richter haben mit diesem Medium wenig Erfahrung. Ihre Informationsquelle ist totes Holz.

Nimmt man es ganz genau, sind die Auswüchse der Abmahnindustrie schon seit 2007 bekannt, damals war noch Brigitte Zypries Bundesjustizministerin, siehe Offener Brief an die EU kritisiert dt. Abmahnindustrie.

Einen Zusammenhang zwischen Lobbyarbeit der Abmahnindustrie bzw. zwischen bekannten Rechtsanwälten der Abmahindustrie und einflussreichen Medienpolitikern kann man vermuten, allerdings wohl schwer beweisen. In diesem Artikel wird das Problem angeschnitten, siehe Abmahnindustrie bekämpfen. Wir zitieren:

Nun gibt es ausgesprochen enge Kontakte zwischen einflussreichen Medienpolitikern und häufig abmahnenden Anwälten - ein Bereich, in dem man besser keine Namen nennt, wenn man nicht selbst abgemahnt werden möchten. Glauben Sie, dass Sie Ihr Anliegen gegen diese Lobby durchsetzen können? Und wenn ja - warum?

Stefan Strewe: Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie hier sprechen. Aber im Ernst: Gute Argumente haben es in der Vergangenheit immer wieder geschafft, Lobbyisten in ihre Schranken zu weisen. Und ich bin überzeugt, dass wir es hier gemeinsam mit der Netzgemeinde schaffen werden, endlich wirksame Maßnahmen gegen das Abmahnunwesen durchzusetzen.

Wie bereits mehrfach erwähnt, interessiert sich der Autor nicht wirklich für das Urheberrecht. Es ist als Phänomen zu unbedeutend und des Weiteren wird es eh ökonomisch gelöst. Ihn interessiert das Problem nur insofern, als allgemeine Mechanismen aufzeigt, die aus ökonomischer Sicht relevant sind. Der Autor kann nachvollziehen, dass Leute, die mit dem Urheberrecht nichts am Hut haben, das ganze Thema unter Trivia verbuchen. Das Thema an sich ist Trivia, wir können aber erkennen, dass wir hier ähnliche Probleme haben, wie im Bereich institutionalisierter Bildung bzw. staatlich geförderte Forschung. Ganz allgemein formuliert: Wir sind mit der Frage konfrontiert, wie Systeme gesteuert werden können. Diese Frage ist alles andere als trivial. Sie berührt den Kern unserer Wirtschaftordnung.

Die Abmahnindustrie ist möglich, weil viele Leute nun mal in diese Falle tappen. Der gesunde Menschenverstand geht davon aus, dass es sich um eine Lappalie handelt und die Abmahnindustrie hat es geschafft, daraus ein Schwerverbrechen zu machen. In dem Moment aber, in dem die Leute für das Phänomen sensibilisiert sind, wird es aufhören. Sie werden nicht mehr in diese Falle tappen. Dann knipst man entweder Bilder selber oder kauft sie für einen Euro bei Fotolia und Co. Wie die Entwicklung in den Sparten Musik und Text laufen wird, wurde in den entsprechenden Kapiteln beschrieben. Letztlich wird das Problem ökonomisch gelöst. Interessant und allgemein ist an dem Vorgang etwas anderes.

Liefert ein System Fehlanreize, dann wird es auch auf die schiefe Bahn geraten und je größer die Bereiche sind, die nicht durch den Markt kontrolliert werden, desto größer ist die Gefahr für solche Fehlanreize. Wer meint, dass eine staatliche Lösung besser ist, als eine privatwirtschaftliche Lösung, der sollte das Phänomen Urheberrecht im speziellen und Justitia im Allgemeinen mal studieren.

Wer dann immer noch nicht kapiert, von was der Autor spricht, der soll nach Cuba fahren, da war nämlich der Autor die letzten zwei Wochen. Dann kann man Fehlallokation, Fehlanreize, Machtanballung durch Intransparenz, Gleichgültigkeit, Phrasendrescherei sinnlich wahrnehmen. Da riecht, schmeckt und fühlt man das. Bildungsurlaub vom Feinsten. Echt zu empfehlen. Was uns langfristig vor der Abmahnindustrie schützen wird ist nicht die Politik, sondern die marktwirtschaftliche Ordnung. Wenn wir für eine staatliche Lösung plädieren, in Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung, externe Kosten, meritorische Güter, dann werden wir diese Bereiche auch stärker einer öffentlichen Kontrolle und Diskussion unterwerfen müssen. Für Details siehe www.economics-reloaded.de.

In den langen Jahren hat aber nicht nur eine Professionalisierung der Abmahnpraxis bei den Rechtsanwälten stattgefunden, sondern auch bei den Urhebern. Diese haben natürlich inzwischen begriffen, dass die Einschaltung eines Rechtsanwaltes ihnen nichts bringt, da sie den vorgefertigten Brief auch selbst verschicken können. In dem Fall, der diesem Verfahren zugrunde liegt, war die vorformulierte Abmahnung völlig identisch mit der, die dann Eugen Klein, der Rechtevertreter des Klägers, verschickte. Das heißt der Urheber, also Ulf / Marina Lochstampfer, haben einfach die Abmahnung aus einem früheren Verfahren kopiert, was Eugen Klein offensichtlich hingenommen hat. Aus welchen Gründen auch immer.

Allerdings waren dann die verlangten Summen relativ hoch, 360 Euro, die dann vom Gericht, also von Frau Benz, auf 180 Euro gekürzt wurde, worüber man sich wiederum fast wundern muss, denn der Grund für die Reduktion ist eigentlich eine Subtilität, die sie in ihrer Urteilsbegründung nicht nennt und wir bezweifeln ernsthaft, dass sie sie hätte begründen können. (Wenn die Klippe mit § 32, Vertrag liegt vor, aber Urheber wird übervorteilt und § 97 Lizenzanalogie nicht überspringen kann, also die beiden Paragraphen verwechselt, OBWOHL ihm dies ausführlich erklärt wurde, dem ist einfach nicht zuzutrauen, dass er die Subtilitäten erfasst.)

Warum allerdings Ulf / Marina Lochstampfer eine Unterlassungserklärung haben wollten, ist unklar. "Lizenziert" werden kann das Bild im Internet nur über diesen Umweg. Vorab würde niemand diese Bilder lizenzieren, bzw. nur für weniger, deutlich weniger, als 10 Euro, eigentlich, wie in diesem Fall, nur für Null Euro, weil sie an jeder Ecke zu haben sind. Ihr Interesse hätte es sein müssen, dass möglichst viele Bilder "raubkopiert" werden, denn Geld verdienen wollen sie ganz unstrittig. Sie haben nach dem höchst möglichen Wert für die Nachlizenzierung gegriffen, sich an den MfM Tarifen orientiert, die für professionelle Bilder mit exotischen Motiven gelten. Mit der Unterlassungserklärung, erreichten sie das genaue Gegenteil. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Bilder "raubkopiert" werden sinkt. Der Autor behauptet ja nicht, dass er irgendein Interesse an oder irgendeine Verwendung für Knipsbilder hat, es geht rein um die Logik.

Unübertroffen ist aber die Professionalisierung der Abmahnindustrie. Damit abmahnen wirklich zum big business wird, muss nach den "Urheberrechtsverstößen" aktiv gesucht werden. Es muss also auch gelingen, wie in dem Verfahren, das dieser Analyse zugrunde liegt, auch urheberrechtlich geschütztes Material zu finden, das noch nie von einem Menschen aufgerufen wurde. Das setzt die Einschaltung von Unternehmen wie DigiProtect oder Photo Patrol voraus. Photo Patrol ist aber relativ teuer, 125 Euro pro Jahr wenn nach 400 Bildern gesucht wird. Mit Photo Patrol ist das business also nicht rentabel. Mit der google Suche auch nicht (Pfad des Bildes kopieren, bei google Bildersuche auf Photoapparat clicken, in das Feld, das aufpoppt eingeben), denn das dauert viel zu lange. Alternativ könnte man noch mit verschiedenen, allgemeinen Begriffen, etwa dem Urheber, die google Bildersuche durchforsten, dann braucht man aber ebenfalls verdammt viel Zeit. Ähnliches gilt bei Texten. Die Enkelin von Karl Valentin muss der Suche viel Zeit widmen. Richtig einfach ist es nur bei Musikstücken. Da kann man sich in die verschiedenen Peer to Peer Netzwerke einloggen und die User ermitteln, die Musikstücke zum Download anbieten. Damit haben sie dann erstmal die IP Adressen. Zusammen mit der Zeit können sie dann, über eine Zwischenlandung bei der Staatsanwaltschaft, beim jeweiligen Provider den Anschlussinhaber ermitteln. Das führt zu 750 000 Abfragen pro Jahr bei den Providern, siehe 30.000 - 50.000 IP-Adressen pro Monat und Provider beauskunftet?.

Nach unserem Verfahren hat auf jeden Fall Eugen Klein sein Geschäftsmodell optimiert, allerdings ist es so kompliziert geworden, dass er selber nicht mehr durchblickt. Vertreten hat er die hgm-press OHG, die wiederum offensichtlich Bilder im Tausender Pack weltweit aufkauft. Aus irgendwelchen Gründen waren sie dann der Meinung, sie hätten auch Bilder von Werken von Nathan Sawaya, die dessen Freundin gemacht hat, gekauft, was aber nicht zutraf, wie eine Rückfrage der abgemahnten Blogger ergab. Damit befinden wir uns dann im einem juristischen Graubereich. Theoretisch wäre ein Geschäftsmodell denkbar, bei dem mal erstmal 10000 Leute prophylaktisch abmahnt, irgendjemand wird schon zahlen, auch wenn man selbst, bzw. die beauftragende Bildagentur, die Rechte nicht besitzt. Wann die Staatsanwaltschaft das Spiel dann stoppt, hängt wohl davon ab, wie oft man es wiederholt. Beim ersten und zweiten Mal wird sie wohl von Schusseligkeit ausgehen, irgendwann aber nicht mehr, irgendwann wäre es Betrug. Allerdings geben wir bei Justitia keine Garantie, dass es irgendwann als Betrug eingestuft wird.

Bei einem schwieriger werdenden Marktumfeld, immer weniger Leute werden in diese Falle tappen, macht es Sinn, möglichst viele Bilder zusammenzukaufen und durch effizientere Methoden weltweit suchen zu lassen. Für die weltweite Abmahnorgie muss man sich dann noch weltweit vernetzen, das heißt Rechtsanwälte in anderen Ländern suchen. Die Nachlizenzierung kann man dann in die Höhe treiben, indem man auf einer Website irgendwelche Phantasiepreise nennt, die noch über den ohnehin utopischen MfM Tarifen liegen. Der Streitwert wird ohnehin freihändig vergeben. Das Problem, dass sich aus der Klärung der Frage ergibt, ob man überhaupt berechtigt ist, lässt sich dadurch entgehen, dass man Bildersammlungen in weit entfernten Ländern "aufkauft". Keine schlechte Idee ist es auch, Bilder zu lizenzieren, die eigentlich unter eine CC-Lizenz stehen. Also HGM-Press OHG und Eugen Klein sind erfinderisch, siehe Wie hgm-Press Public Domain-Bilder der NASA als lizenzpflichtig präsentiert . Genau genommen gibt Hgm-Press OHG unter einer CC-Lizenz erscheinende Bilder der Nasa als seine eigenen aus.

Interessant ist nun die Tatsache, dass sich in dem Spiel Abmahn- und Gegenabmahnindustrie vor allem die Gegenabmahnindustrie äußert. Wer bei google Abmahnung eingibt, stößt auf Tausende von Rechtsanwälten, die bei Abmahnungen "Hilfe" anbieten. Interessant ist, was für Antworten man erhält, wenn man sie tatsächlich anschreibt, siehe 4.2 Abmahnungen auf emails. Abmahnanwälte findet man selten. Das liegt zum einen daran, dass ein Abmahnanwalt leicht zig Gegenabmahnanwälte produziert, Eugen Klein zum Beispiel verschafft auf einen Rutsch gleich zehn Gegenabmahnanwälten Lohn und Brot, die Nachfrage ist also dort größer, zum anderen will man sich wohl kaum auf der Seite der abmahnenden Anwälte positionieren. Abmahnenden Anwälten gebührt also insofern Respekt, als sie die "Drecksarbeit" erledigen. Der Autor hat schon Seiten von Abmahnanwälten gesehen, die texten dann ähnlich knallig wie die Anwälte der Gegenabmahnindustrie ("Ihre geistigen Schöpfungen haben einen Wert! Schützen Sie sie! Wir beraten"), sie sind aber weit seltener. Der Autor würde sagen, dass die Rechtsanwälte, so sie noch jung sind, sich besser umorientieren, denn letztlich sind ökonomische Fakten ausschlaggebend. In dem Moment, in dem der Nutzer / Käufer / Interessent Alternativen hat, verliert der urheberrechtliche Rechtschutz seinen Wert. Man kann sich teuer über einen Rechtsanwalt die Rechte an einem Lied aus dem Salsa, Rumba, Tango etc. Repertoire sichern. Das nützt aber nicht wirklich was, wenn Hunderte von cubanischen Bands so ein Lied an einem Nachmittag nachkomponieren. Man kann sich auch das Recht an einem Roman sichern, das nützt aber auch nicht viel, wenn sich bei den Verlegern die unveröffentlichen Manuskripte zu haushohen Türmen aufstapeln. Es liegt in der Natur der Dinge, dass es mit der Zeit immer mehr "geistige Schöpfungen" aller Art gibt und das Kernproblem geistiger Schöpfung besteht nun einmal darin, nicht "verbraucht" zu werden.

"Verbraucht" werden sie nur, wenn es der Kulturindustrie gelingt, irgendwas zu hypen und gleichzeitig das Bestehende aus dem Verkehr zu ziehen. Sie muss es also fertig bringen, Pink Floyd, Deep Purple, Queen whatever als Opi Musik erscheinen zu lassen und Techno, HipHop, Rap etc. als total cool. Das wird aber zunehmend schwieriger, im Bereich Literatur ist es fast aussichtslos. Zu einem Bestseller wird ein Buch nun schon, wenn es 2000 Mal verkauft wurde, in den Charts landet ein Song mit 5000 verkauften Exemplaren. Das ist etwa ein zehntel des Wertes, der vor 20 Jahren erreicht werden musste. Stellungnahmen wie die von der Positionspapier zum Urheberrecht sind weitgehend sinnfreies Geschwätz und interessieren niemanden.

Man könnte sie auch auflösen. Ihre Bedeutung bezieht sie aus Fiktionen, wie der Fiktion, dass auf Speichermedien urheberrechtlich geschütztes Material ist. Der wichtigste Posten (69 Millionen von 120 Millionen) entfällt auf die Kopiergeräte Vergütung. Auch hier besteht die Fiktion darin, dass urheberrechtlich geschütztes Material kopiert wird. Das wird immer weniger der Fall sein, wenn freies Material zur Verfügung steht. Das ist nicht abstrakt, sondern höchst konkret. Die umfassendsten am Markt erhältlichen Lehrbücher zu Spanisch, Französisch, Englisch und Italienisch stammen z.B. von der infos24 GmbH. Diese liegen als pdf vor und können kostenlos, wenn sie einmal erworben wurden, bei jedem Copyshop vervielfältigt werden. Das nur mal als Beispiel. Unternehmen wie die infos24 GmbH gibt es millionenfach.

Den Geschäftsbericht der VG Wort kann man hier nachlesen Bericht des Vorstands über das Geschäftsjahr 2011. Wir erkennen aber ganz hoch an, in vollem Ernst, dass die VG Wort überhaupt Zahlen veröffentlicht. Die Verwertungsgesellschaft Bild und Kunst veröffentlicht die Zahlen nicht.

Die GEMA veröffentlicht ebenfalls einen Geschäftsbericht, siehe Geschäftsbericht 2011. Da erfahren wir viel Lustiges. Die Erträge der GEMA im Online Bereich betrugen z.B. lediglich 21 Millionen, was die GEMA bedauert, allerdings müsst sie dann bei den Abmahnanwälten kassieren, denn auch für die Nachlizenzierung müssten ja GEMA Gebühren fällig werden. Das haben wir natürlich mal nachgefragt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir arbeiten zur Zeit an einer Studie zur Rechtsverfolgung von Verstößen gegen das Urheberrecht im Internet.

In diesem Zusammenhang wäre es für uns interessant zu wissen, ob die GEMA Gebühren, die bei einer "Nachlizenzierung" gemäß § 97 Urhg eigentlich fällig werden, auch tatsächlich abgeführt werden.

Dies betrifft eigentlich alle Anwendungen. Bei download in peer to peer Netzwerken wird von den Gerichten eine vermutete Anzahl von downloads zugrunde gelegt, diese müssten, entsprechend der Anzahl der vermuteten Downloads, abgeführt werden. Gleiches gilt natürlich bei einem download von der Website ohne Anmeldung bei der GEMA, unlizenziertes Streaming Angebot etc..

Gibt es hierzu konkrete Zahlen? Gesamtumsatz der aus diesen Verfahren resultierenden Einnahmen und Anzahl der Fälle? Möglichst gegliedert nach GEMA Tarifen.

Wie wird verfahren, wenn das Gericht einen anderen als den von der GEMA festgelegten Tarif als angemessen im Sinne des § 97 Urhg ausurteilt?
Für eine Anwort wäre ich Ihnen dankbar.

mit freundlichen Grüßen
Andrés Ehmann

--
Diplom Volkswirt / Magister Artium
Andrés Ehmann
infos24 GmbH
Stephanstraße 11
10559 Berlin

infos@infos24.de
www.infos24.de
get your website empowered !

Nach längerer Zeit kam dann diese email.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir arbeiten zur Zeit an einer Studie zur Rechtsverfolgung von Verstößen gegen das Urheberrecht im Internet.

In diesem Zusammenhang wäre es für uns interessant zu wissen, ob die GEMA Gebühren, die bei einer "Nachlizenzierung" gemäß § 97 Urhg eigentlich fällig werden, auch tatsächlich abgeführt werden.

Dies betrifft eigentlich alle Anwendungen. Bei download in peer to peer Netzwerken wird von den Gerichten eine vermutete Anzahl von downloads zugrunde gelegt, diese müssten, entsprechend der Anzahl der vermuteten Downloads, abgeführt werden. Gleiches gilt natürlich bei einem download von der Website ohne Anmeldung bei der GEMA, unlizenziertes Streaming Angebot etc..

Gibt es hierzu konkrete Zahlen? Gesamtumsatz der aus diesen Verfahren resultierenden Einnahmen und Anzahl der Fälle? Möglichst gegliedert nach GEMA Tarifen.

Wie wird verfahren, wenn das Gericht einen anderen als den von der GEMA festgelegten Tarif als angemessen im Sinne des § 97 Urhg ausurteilt?
Für eine Anwort wäre ich Ihnen dankbar.

mit freundlichen Grüßen
Andrés Ehmann

--
Diplom Volkswirt / Magister Artium
Andrés Ehmann
infos24 GmbH
Stephanstraße 11
10559 Berlin

infos@infos24.de
www.infos24.de
get your website empowered!

Sehr geehrter Herr Ehmann,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 8. Mai. Wir können Ihnen mitteilen, dass sämtliche Erträge aus einer Nachlizenzierung in den verschiedenen Nutzungsbereichen in die normale Verteilung gegeben werden. Zuvor werden die im Verteilungsplan der GEMA genannten Abzüge (z.B. Verwaltungskosten und zum Teil auch Abzüge für die soziale bzw. kulturelle Förderung) vorgenommen.

Grundlage für die Berechnung des Schadensersatzes bilden nach der Lizenzanalogie die für die jeweiligen Nutzungsbereiche veröffentlichten Tarife der GEMA. In die Verteilung wird dann nach den genannten Abzügen der Betrag gegeben, der tatsächlich im Rahmen der Rechtsverfolgung realisiert wurde.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXx

GEMA Generaldirektion * Rechtsabteilung
Rosenheimer Straße 11, 81667 München
Telefon +49 89 48003-299
Fax +49 89 48003-290
E-Mail kwelp@gema.de

GEMA - Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte
USt-ID-Nr. der GEMA: DE136622151
Vorstand: Dr. Harald Heker (Vorstandsvorsitzender), Lorenzo Colombini, Georg Oeller

Das wirft natürlich Fragen auf. Die GEMA hat aus der Lizenzierung im Online Bereich 21 Millionen Euro pro Jahr. Das Abmahnvolumen beträgt 500 Euro pro Jahr. Der allergrößte Teil davon entfällt auf Musik, sagen wir mal die Hälfte. Da die GEMA die ausschließlichen Nutzungsrecht hat, also zusammen mit § 35 UrhG auch das ausschließliche Recht zur Vergabe einfacher Nutzungsrechte, müssten erstmal ALLE Einnahmen aus urheberrechtlichen Auseinandersetzungen bei der GEMA landen, die dann wiederum die Gelder an den Urheber bzw. da es überwiegend Verlage sind die klagen, an die Musikverlage, zurückschickt. Jetzt rechnen wir mal großzügig, dass 3/4 von den 500 Millionen Euro pro Jahr Rechtsanwaltsgebühren sind, verbleiben also 100 Millionen. Wieso hat die GEMA dann nur Einnahmen aus dem online Bereich von 21 Millionen Euro?

Wir hakten natürlich nach, aber dann gab es natürlich keine Antwort mehr. Ein bisschen geflunkert haben wir natürlich, aber das ändert nichts am Prinzip. Die GEMA müsste doch die exakten Zahlen haben.

Sehr geehrter Herr XXXXXX,

uns liegen konkrete Zahlen vor, wie oft es bei urheberrechtlich geschützten musikalische Werken es zu einer Nachlizenzierung nach § 97 Urhg kam. Die Sache ist etwas kompliziert, weil in gerichtlichen Verfahren immer mit Fiktionen gearbeitet wird. Beim download in peer to peer Netzwerken ist unklar, wie oft Werke heruntergeladen werden, bei Websites besteht Unklarheit über die Anzahl der Zugriffe und ob privat oder gewerblich etc.. Auch unsere Zahlen sind nur Schätzungen, dürften aber einigermaßen exakt sein. Interessant wäre nun zu wissen, inwieweit sich unsere Zahlen mit den Zahlen der GEMA decken. Von daher die Frage: Welche Summe, in EURO, nahm die GEMA über die Nachlizenzierung ein und auf welche GEMA-Tarife entfielen diese Einnahmen. Des weiteren wären noch die Fallzahlen interessant.

Für eine Antwort wäre ich Ihnen dankbar.

mit freundlichen Grüßen

Dipl.Vw. / M.A. Andrés Ehmann

Wie gesagt, eine Antwort haben wir nie erhalten.

Wenn allerdings die Abmahindustrie mit einer Milliarde Euro mehr erwirtschaftet, als die GEMA insgesamt (822 Millionen), dann ist vielleicht was am Geschäftskonzept der GEMA falsch. Vielleicht sollte sie die Lizenzierung im online Bereich so gestalten, dass sich wirtschaftlich nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln lassen. Auch an den Live Gebühren kann die GEMA noch arbeiten, denn diese Kosten Jobs, siehe Musikpiraten e.V. prüft Strafanzeige gegen GEMA.

 


update
Vorwort
Ausgangspunkt


Das Urheberrecht aus
oekonomischer Sicht


Abmahn und Gegenabmahnindustrie


Rahmenbedingungen
der Rechtsanwaelte
Diskussion
der Problematik ausserhalb systemischer Zusammenhaenge


Detaillierte Darstellung des Verfahrens
Home | Impressum | Datenschutzerklärung