2.2.3 Die Kosten und Leistungsrechnung in der Justiz

Dass eine Subventionierung stattfindet, ist naheliegend. Nach dem Kostenträgerblatt, siehe Zivilsachen / Familiensachen liegt der Durchschnitt für ein Verfahren bei 495,14 Euro. Tatsächlich wurden bei unserem Verfahren 560 Euro fällig, wobei wir davon ausgehen, dass unser Fall der denkbar simpelste Fall war, zumindest kann sich der Autor nichts Simpleres ausdenken, des Weiteren war ja auch der Streitwert sehr niedrig. Das deckt sich also mit den bereits oben gemachten Vermutungen, dass eine massive Quersubventionierung anderer Rechtsbereichen stattfindet. Die Rechnung oben ging von den sich aus Pebb§y ergebenden Zeit (7 Stunden 10 Minuten) geteilt durch die von uns gezahlte Gerichtsgebühr aus, 560 Euro. Allerdings war die Aussage vage, letztlich konnte man sich nur ausrechnen, was ein Richter dann verdienen müsste. Da der so ermittelte Wert wesentlich höher war, muss eine Quersubventionierung stattfinden. Diese Vermutung wird jetzt bestätigt.

Allerdings hat das Justizministerium in Niedersachsen echt Humor, das muss man ihnen lassen.

Kostentransparenz - Die tatsächlichen Kosten der justizspezifischen Leistungen sind sichtbar und vergleichbar zu machen, um das Kostenbewusstsein innerhalb der Justiz weiter zu vertiefen. Daneben wird der Öffentlichkeit dokumentiert, was Rechtsgewährung und Justizvollzug kosten.

aus: Budgetierung / Internes Rechnungswesen (IRW)

Ob es ein Rädchen im Getriebe von Justitia sonderlich interessiert, ob ein anderes Rädchen flinker rotiert oder nicht, wagt der Autor zu bezweifeln. Warum sollte dies so sein? Solange Unterschiede keine konkreten Konsequenzen haben, passiert schlicht gar nichts. Das stärkt auch das Kostenbewusstsein nicht, weil sich das vermutlich kein Mensch anschaut. Der Öffentlichkeit gegenüber werden die Kosten dokumentiert, das ist richtig. Der Autor weiß jetzt, dass er irgendwelche Produkte aus anderen Bereichen von Justitia subventioniert hat. Das wollte er aber eigentlich gar nicht wissen. Er wollte eigentlich eher wissen, wieso jemand, der einen Zivilprozess führt, strafrechtliche Verfahren subventionieren soll. Der Autor wäre ehrlich überrascht, wenn er einen Fernseher kauft und dabei gleich noch die neue Kupplung von XY mitbezahlt. Die Logik von Juristen ist sehr speziell, da muss man sich erstmal eindenken.

Der hier ist auch noch gut.

Für die Richterschaft, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Amtsanwältinnen und Amtsanwälte werden die KLR-Ergebnisse immer nur eine Anregung sein können, denn die gesetzlich geschützte Unabhängigkeit dieser Berufsgruppen verbietet den steuernden Eingriff der Verwaltung in den Kernbereichen ihrer Tätigkeiten. Es soll dennoch einen Anstoß für Überlegungen geben, wie Abläufe und Prozesse verbessert werden können.

aus: Budgetierung / Internes Rechnungswesen (IRW)

Die Richter sollen sich also von der besseren Performance ihrer Kollegen, wobei der Druck, der auf diesen lastet ja auch durchaus erträglich ist, inspirieren lassen. Das klingt doch sehr nach DDR und sozialistischem Wettbewerb. Es fehlt nur noch, dass der Richter für besondere Leistungen einen Orden aus Blech bekommt. Das Justizministerium in Niedersachsen hat offensichtlich einen neuen Menschen kreiert. Was also alle sozialistischen Systeme dieser Welt nicht geschafft haben, also den sozialistischen Wettbewerb einzuführen, das ist ein Wettbewerb, bei dem alle dafür sorgen, dass keiner zuletzt ins Ziel kommt, ist nun bei Justitia in Niedersachsen eingeführt. Entscheidend ist, dass man das Teil sozialistischen Wettbewerb nennt und nicht Benchmarketing, sonst wird nämlich der deutsche Richterbund böse.

Ein sog. Benchmarketing ist daher abzulehnen. Ein derartiger innergerichtlicher oder innerbehördlicher Wettbewerb birgt die Gefahr in sich, dass Rechtsprechung zunehmend nach ökonomischen Gesichtspunkten betrieben wird. Richterliches Entscheidungs- oder staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverhalten darf sich aber nicht vordringlich an Effizienz- oder Ökonomieüberlegungen ausrichten.

aus: Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Abschlussbericht der Arbeitsgruppe "Neues Steuerungsmodell"

Genau! Sozialistischer Wettbewerb ja, Benchmarketing nein. Benchmarketing haben sich bürgerliche Vulgärökonomen ausgedacht, die die wahren Interessen der Arbeiterklasse mit Füßen treten. Die Arbeiterklasse steht fest zur Richterschaft und tritt jedem Versuch der bürgerlichen Ökonomisierung der Justiz energisch entgegen.

Der Halbsatz "... dass Rechtsprechung zunehmend nach ökonomischen Gesichtspunkten betrieben wird ..." suggeriert einen trade off zwischen der Qualität der Rechtssprechung und den Kosten der Rechtssprechung, was ja wiederum im Umkehrschluss bedeutet, dass die Rechtssprechung umso besser ist, je mehr sie kostet.

Die Logik ist natürlich merkwürdig. Normalerweise sinken die Kosten mit der Qualität der Arbeit. Backt der Autor dieser Zeile eine Torte, wird es eine verdammt teure Torte. Denn er würde hierfür mehrere Anläufe brauchen und sehr viele Zutaten würden im Müll landen. Ein Konditor wäre zwar teurer, würde das aber im ersten Durchgang in exzellenter Qualität schaffen.

Urteile eines Amtsgerichts, logisch schlüssig, rechtskonform, nachvollziehbar und wohlbegründet, hätten wohl eher die Wirkung, dass es zu einem Durchgang in die zweite Instanz gar nicht kommt. Bedenkt man jetzt noch, dass Rechtsanwälte ein massives ökonomisches Interesse daran haben, es in die zweite Instanz zu schaffen, dann würden wir eher das Gegenteil vermuten.

Qualität senkt die Kosten, vor allem, wenn ein Urteil den Parteien die Möglichkeit gibt, sich ein eigenes Bild der Rechtslage zu machen. Im Übrigen ist aber schon die Grundlogik falsch. Werden die Kosten über eine Kostenträgerrechung, bei Justitia wären die Kostenträger Rechtsbereiche, in dem Verfahren, das dieser Analyse zugrunde liegt etwa der Kostenträger Verfahren nach § 97 Urhg (bzw. abstrakter: Verwendung urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne Zustimmung des Urhebers; denkbar ist natürlich auch eine höhere Aggregationsebene, dann könnte man von einer Kostenträgergruppe sprechen, etwa gewerblicher Rechtsschutz bzw. noch höhere Aggregationebene: Zivilsachen; wir kommen weiter unten darauf zurück), weitergewälzt, dann besteht überhaupt kein Zusammenhang zwischen "Qualität" und Kosten.

Die Parteien kaufen dann schlicht eine Leistung ein, wobei sie aber keinen Einfluss haben auf die Qualität. Sie können sich aber, wenn sie an der Qualität nichts ändern können, sich überlegen, ob sie mehr davon einkaufen. Das einzige, was die Kostenträgerrechnung im ersten Schritt verhindern würde, wäre die Quersubventionierung nicht "rentabler" Bereiche. Diese Quersubventionierung hat aber ohnehin zu unterbleiben. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Parteien, die eine zivilrechtliche Fragestellung geklärt haben wollen, Strafverfahren wegen Diebstahl subventionieren.

Wo der Staat ein öffentliches Gut (öffentliche Güter sind Güter, von denen alle profitieren, aber niemand zur Zahlung verpflichtet werden kann, z.B. öffentliche Parks) anbietet, wie etwa die Sicherheit, zahlt üblicherweise der Steuerzahler. Was überall so ist, kann man auch bei Justitia so handhaben. Die Erhebung der Gerichtskosten auf der Grundlage einer Kostenträgerrechnung hätte den Vorteil, dass die Gerichte mit tatsächlichen Kosten belastet werden. Nach dem jetzigen Verfahren, Gerichtskosten auf der Basis von Streitwerten, ergibt sich bei hohen Streitwerten und relativ wenig Arbeit, wie bei Urheberrechtssachen, ein Anreiz, diese Prozesse zu führen. Die überwiegende Masse dieser Prozesse, völlige Bagatellen, könnte auch ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Besonders krass in dem Verfahren illustriert, das dieser Analyse zugrunde liegt. Widmet sich ein Richter, hier Frau Benz, während der Verhandlung der Erziehung seiner Kinder, kämpft mit dem Diktiergerät und turtelt mit dem gegnerischen Anwalt, dann kann man sich den Quatsch auch sparen. Wenn dann noch das Landgericht 3/4 der Zeit damit verbringt, dem gegnerischen Rechtsanwalt eine Einführung auf basic level in materiellem Recht zu geben und sinnfreie Zeugenbefragungen durchzuführen, dann ist es bessser man spart sich den Quatsch.

Ein Zusammenhang zwischen einer wie auch immer definierten "Qualität" richterlicher Rechtssprechung und der Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung existiert schlicht nicht. Wäre die Argumentation richtig, müsste ja auch im Übrigen die "Qualität" der richterlichen Rechtssprechung mit dem Streitwert steigen. Ökonomisch plausibler ist, dass die Berechnung der Gerichtskosten auf Basis des Streitwerts zu einer Ökonomisierung der Rechtssprechung führt, denn der Streitwert bringt, vor allem beim Urheberrecht, so richtig Musik ins Spiel. Eugen Klein, der Rechtsvertreter des Klägers in dem Fall, der hier zugrunde liegt, ging eigentlich von einem Streitwert von 4000 Euro aus. Das fand er aber wenig, er wedelte dann auch mit einem Streitwert von 13000. Heraus kam 2000. Das ist aber reiner Zufall. Eugen Klein veranschlagt für ähnliche Fälle durchaus auch mal 32000 Euro, siehe www.kraftfuttermischwerk.de. Es ist auch hier wieder davon auszugehen, dass Grundsätze, die überall gelten, auch bei Justitia sinnvoll sind und in dieser unserer Welt gibt es halt einen Zusammenhang zwischen den Kosten eines Produktes und dem Preis eines Produktes. So ist das überall auf der Welt und so sollten wir das auch in Deutschland handhaben. Der Streitwert, amount in controversy, klärt im angelsächsischen Sprachraum lediglich, welches Gericht zuständig ist.

Fazit: Die Kosten- und Leistungsrechnung ist nur sinnvoll, wenn sie eine Lenkungsfunktion entfaltet. Die Lenkungsfunktion kann sie entfalten, wenn das Produkt auch eingekauft werden könnte. Ob man es einkauft oder nicht, hängt davon ab, ob man es billiger kaufen als selber herstellen kann. Dafür muss man aber wissen, was es überhaupt kostet. Weiter entfaltet die Kosten- und Leistungsrechnung eine Lenkungsfunktion, wenn der Marktpreis bekannt ist. Kann man ein Produkt nicht zu Kosten unterhalb des Marktpreises anbieten, bietet man es besser (genau genommen müssten wir jetzt zwischen Teilkostenrechnung und Vollkostenrechnung unterscheiden) nicht an. Eine Lenkungsfunktion kann sie dann noch entfalten, wenn sich die Kosten im Zeitablauf ändern. Ein Unternehmen also interne Vergleichzahlen hat. Weiter kann sie eine Lenkungsfunktion entfalten, wenn marktwirtschaftliche Elemente quasi "künstlich" eingeführt werden, das ist das berliner Modell, siehe Kosten- und Leistungsrechnung in der Verwaltung. Hier wird die Leistung der einzelnen Bezirke verglichen und das mit höchst konkreten Konsequenzen. Es wird nämlich nur der Median zugewiesen. Dies entfaltet natürlich eine Lenkungsfunktion, wenn auch nicht mit der Eindeutigkeit, wie dies in einer marktwirtschaftlichen Ordnung der Fall ist.

Das Modell, das bei Justitia wohl schon öfter angedacht wurde, dies zeigen unter anderem die heftigen Reaktionen des deutschen Richterbundes, entspricht wohl dem berliner Modell. Die Reaktion ist beamtentypisch, völlig normal und seit 25 Jahren, also seit über die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung in der öffentlichen Verwaltung diskutiert wird, bekannt. Die vorgetragenen Bedenken sind natürlich abstrus. Casus belli ist die Tatsache, dass es ans Eingemachte geht. Selbstverständlich lassen sich die Produkte von Justitia im statistischen Mittel vergleichen und selbst wenn es im Einzelfall nicht geht, liefert die Kosten- und Leistungsrechnung Anhaltspunkte, was da schief laufen könnte. Sind die Unterschiede anders als durch Unterschiede in der Effizienz der Leistungserstellung zu erklären, kann dies ja bei der Budgetierung berücksichtigt werden.

Allerdings kann die Kosten- und Leistungsrechnung natürlich nur dann eine Lenkungsfunktion entfalten, wenn die Budgetierung auf den Daten der Kosten- und Leistungsrechnung erfolgt, wobei Budgetierung hier ein großes Wort ist. Gemeint ist schlicht, dass die Mittel zugewiesen werden, die bei effizienter Leistungserstellung nötig sind. Der Unterschied zwischen der öffentlichen Verwaltung und marktwirtschaftlich agierenden Unternehmen besteht schlicht darin, dass die öffentliche Verwaltung die Mittel zugewiesen bekommt, marktwirtschaftlich agierende Unternehmen sich diese verdienen müssen.

Endgültig falsch wird die These von der "Ökonomisierung" der Justiz aber dann, wenn man bedenkt, dass der letzte konsequente Schritt eine Berechnung der Gerichtskosten auf der Grundlage der tatsächlich anfallenden Kosten wäre. Das Thema "Qualtität" ist hierbei völlig außen vor. Die Parteien zahlen dann nur die tatsächlichen Kosten des Rechtsstreits, völlig unabhängig von der Qualität der Rechtssprechung. Eine Lenkungsfunktion hätte dies nur indirekt, aber schon dies ist wohl zuviel. Hat jemand zum Beispiel aufgrund seiner Position, zum Beispiel ein Vertreter der Gewerkschaft oder ein Arbeitgeber, Erfahrung mit Arbeitsrecht, kann er natürlich abschätzen, wie lange man bei durchschnittlicher Intelligenz und Erfahrung für ein Urteil tatsächlich braucht. Liegen die Gerichtskosten eines Gerichts in diesem Rechtsgebiet regelmäßig weit über dem, was als plausibel erscheint, oder, noch schlimmer, weit höher als bei anderen Gerichten, dann stellen sich natürlich Fragen. Gibt es hierfür eine plausible Erklärung, z.B. geringe Fallzahl und damit hohe Leerkosten, wird das noch nicht zu einem Problem führen. Gibt es aber keine Erklärung, dann kann es problematisch werden.

Insbesondere kann die vermeintlich höhere Qualität höhere Kosten nur bedingt rechtfertigen. Die Theorie vom Richter als Schamane, der allein Zugang zum Reich der Gerechtigkeit hat, ist falsch. Aufgabe der Justiz ist die Schaffung von Rechtssicherheit. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass zumindest für die Leute mit Hochschulabschluss, die sich mit einem Rechtsgebiet länger beschäftigt haben, die richterliche Rechtssprechung zumindest ansatzweise noch nachvollziehbar sein muss, was ja beim Urheberrecht, wie Tausende von Foren mit Millionen von Einträgen zeigen, nicht mehr der Fall ist. Die Rechtssicherheit ist nicht mehr gewährleistet. Recht, das keiner mehr versteht, ist sinnfrei. Als Schamane kann der Richter seine Funktion nicht erfüllen. Läuft also die Beurteilung von Fachleuten und der breiten Öffentlichkeit völlig quer zur Rechtssprechung, dann sichert die Rechtssprechung nicht den Rechtsfrieden, weil niemand ihre Meinung teilt. Das Argument, dass der Schamane in seiner überlegenen Weitsicht weiter sieht als der Pöbel, ist ein Witz. Wer in den letzten zwei Diktaturen so grandios versagt hat wie die Justiz, der hat Anlass in sich zu gehen und sein Haupt mit Asche zu bedecken. Der hat keine großen Sprüche zu klopfen, sondern zu klären, warum er versagt hat und Besserung zu geloben. Der langen Rede kurzer Sinn. Allzu weit kann sich Justitia vom Rechtsempfinden des Pöbels nicht entfernen, weil Justitia dann erstens ihren Auftrag nicht erfüllt und wir zweitens hinsichtlich der Frage, ob Justitia gerechter urteilt oder der Pöbel eher unsicher sind.

Dann gibt es noch ein weiteres Argument für die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung in der Justiz. Transparenz ist ein Wert an sich. Selbst wenn die Folgen eines Bankencrashs verheerend gewesen wären, ist noch nicht sicher, ob man sie nicht hätte crashen lassen sollen. Das hätte den unbestechlichen Vorteil gehabt, dass wir dann wüssten, welche Bank mit welcher anderen Bank verbandelt ist, welche Bank sich in riskante Geschäfte eingelassen hat und wir hätten dann auch erfahren, ob das Problem nicht tiefer steckt, nämlich, wie Keynes vermutet, zuviel liquide Mittel in scheinbar sicheren Häfen geparkt werden, siehe www.economics-reloaded.de.

Die Kosten- und Leistungsrechnung hat den unbestechlichen Charme, dass sie a) ohnehin vielen Leuten bekannt ist, weil sie sich beruflich oder in Ausbildung und Lehre damit beschäftigen und b) auch von Leuten leicht nachvollziehbar ist, die sich noch nie damit beschäftigt haben. Produkt „Verfahren nach § 97 Urhg“ kostet 303,50 Euro kapiert jeder. Die 303,50 Euro beinhalten eben alle Kosten, Personalkosten, Heizungskosten, Stromkosten, allgemeine Verwaltung, Porto, etc. etc. die für die Produktion dieses Produktes aufgewendet wurden. Das kapiert man selbst dann noch, wenn man nicht kapiert, wie die Kosten- und Leistungsrechnung konkret aufgebaut ist. Es handelt sich um ein universal akzeptiertes Rechnungssystem, das alle kennen. Mit der Streitwert Logik und Geschäftsgebühr, Verfahrensgebühr, Termingebühr, Zuschlagssatz, Erhöhung wegen zwei Mandanten etc. etc. kennt sich niemand aus. Wer also die Rechnungen tatsächlich kontrollieren will, muss sich einarbeiten. Diese Zeit haben die wenigsten und werden folglich klaglos zahlen, weil der Aufwand, das Recht durchzusetzen zu groß ist. Die jährliche Betriebskostenabrechnung, das ist de facto eine Kosten- und Leistungsrechnung, kann jeder noch halbwegs nachvollziehen. Insbesondere weiß er, was normal ist. Eine Rechnung, die auf einem Streitwert beruht, ist nicht nachvollziehbar. Sind die Konsequenzen der Rechtsverfolgung völlig undurchsichtig, ist das Recht ausgehebelt. Beim Urheberrecht dürften wir diesen Zustand erreicht haben, wobei uns das Urheberrecht jetzt gar nicht interessiert. Uns interessiert die "innere Logik" dieses Prozesses.

Die marktwirtschaftliche Ordnung ist vor allen Dingen eine Reduktion der Komplexität. Jedes andere System, also planwirtschaftliche Ordnungen, wo Preise "ermittelt" werden oder eben so Systeme wie Justitia, überfordern die Menschheit, weshalb sie regelmäßig scheitern. Will man verstehen, warum die DDR gescheitert ist, dann kann man Justitia analysieren. Wir haben fiktive Preise, bei einer von niemandem durchschauten Quersubventionierung, wir haben teilweise keine Leistungskontrolle und teilweise, bei den Rechtsanwälten (und in geringerem Maße bei der Justiz), Fehlanreize, also Anreize, eine schlechte Leistung abzuliefern. Wir haben eine Gebilde, das systematisch zu erfassen in etwa so aussichtsreich ist wie der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln.

Marktwirtschaftliche Ordnungen sind eine Reduktion von Komplexität. Das macht ihre Leistungsfähigkeit aus. Wären die Bäcker, die Kfz-Mechaniker, die Molkereien, die Fruchtsaft Produzenten etc. etc. Teil der öffentlichen Verwaltung und hätten jeweils eine eigene Methode der Preisberechnung, wie dies in Staaten mit einer Zentralverwaltungswirtschaft der Fall ist, wüsste kein Mensch mehr, was eigentlich der "richtige" Preis ist. Es kann dann schon mal passieren, wie es in der DDR ja passiert ist, dass Mais teurer ist als Brot und Brot an die Schweine verfüttert wird. Auch wenn die Budgetierung über den Staat erfolgt, wie im Gesundheitswesen, sollte man sich an den Maßstäben der Kosten- und Leistungsrechnung orientieren. Extraktion eines Backenzahnes 110 Euro ist klar und jeder kann sich so ungefähr ausrechnen, ob das hinkommt. Ein Verfahren nach der Methode Körpergewicht in cm / durch Alter in Jahren * Zuschlagssatz wegen Schwierigkeitsgrad * Basiswert, wie es Justitia pflegt, könnte keiner nachvollziehen. Zwar könnte der Basiswert so berechnet werden, dass die Behandlung bei grippalem Infekt quersubventioniert wird und es in der Summe aufgeht, aber es wäre trotzdem gaga.

Marktwirtschaftliche Ordnungen erreichen die Reduktion an Komplexität durch eine immanente Steuerung und die immanente Steuerung ist das Ideal, weil sich niemand damit beschäftigen muss. Ist die Getreide Ernte in Australien schlecht oder wird vermehrt Weizen zu Biosprit verarbeitet, dann werden die Brötchen teurer. Warum sie teurer werden, muss man nicht wissen. Auf die Preissteigerung bei Getreide werden jetzt aber wiederum die Bauern reagieren und stillgelegte Flächen reaktivieren. Das muss man aber, wenn man sich ein Brötchen kauft, auch nicht wissen.

Justitia ist eine Planwirtschaft und Juristen sind Kommunisten. Was die wollen, hat noch nie funktioniert, kann nicht funktionieren, funktioniert nicht und wird nie funktionieren. Die Meinung, dass es funktioniert ist falsch. Der Meinung kann nur sein, wer schlicht jedes Ergebnis von Justitia als optimal akzeptiert. Sind die Kosten einer juristischen Klärung völlig undurchsichtig, in dem Verfahren, dass dieser Untersuchung zugrunde liegt, lag die Schwankungsbreite zwischen 2000 Euro und 10000 Euro, je nachdem welcher der zur Diskussion stehenden Streitwerte zugrunde gelegt wird, ist eine rechtliche Klärung nicht mehr möglich. Verfahren müssen sich an den tatsächlichen, über eine Kostenträgerrechnung ermittelten, Kosten orientieren. Auch dieses Geschwurbel hat gutes Sozialismus Niveau: "Die geschützte Unabhängigkeit dieser Berufsgruppe verbietet den steuernden Eingriff der Verwaltung in den Kernbereich ihrer Tätigkeiten." Was soll das eigentlich konkret bedeuten? Dass es im Grundgesetz steht wissen wir:

Artikel 97 Abs. 2 des Grundgesetzes

(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.
(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.

Im Vergleich zum § 20 ist der § 97 geradezu sympathisch. Bei § 97 Grundgesetz ist der Richter an das Gesetz gebunden, bei § 20 Grundgesetz nur noch an Gesetz und Recht. Der Unterschied klingt zwar harmlos, aber wenn man das Verfahren nimmt, das dieser Analyse zugrunde liegt, dann kann man das so interpretieren, dass wohl nur noch eine Bindung an ein subjektives Rechtempfinden vorlag, der Wortlaut der Gesetze war eigentlich völlig egal. Dass § 32 UrhG einen völlig anderen Sachverhalt regelt, als der, der zur Diskussion stand, hat Frau Benz nicht die Bohne interessiert.

Recht klingt irgendwie sympathisch, aber bei Juristen kann das höllisch unsympathisch werden. Die können dann schon mal auf die Idee kommen, völkisches Recht oder sozialistisches Recht anzuwenden. Dann sind Gesetze ganz fix nur noch ein Handlungsvorschlag ohne bindende Wirkung. Das Wörtchen Recht könnte man also streichen. Gesetz reicht. Also das, was tatsächlich dasteht, ist ein ganz guter Anhaltspunkt. Die Hervorhebungen stammen vom Autor.

Art 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an GESETZ UND RECHT gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Recht geht da schon ein bisschen in die Richtung, die wir in der DDR Verfassung finden.

Artikel 87
Gesellschaft und Staat gewährleisten die Gesetzlichkeit durch die Einbeziehung der Bürger und ihrer Gemeinschaften in die Rechtspflege und in die gesellschaftliche und staatliche Kontrolle über die Einhaltung des SOZIALISTISCHEN RECHTS.

aus: Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik

Einhaltung des SOZIALISTISCHEN RECHTS. Das geht so in Richtung subjektiver Bewertungsspielraum. Klingt harmlos, ist es aber nicht. Das ist eine von vielen Erkenntnissen des Autors aus diesem Verfahren. Recht ist was Brandgefährliches. Er hätte das wirklich anders formuliert: Die rechtssprechende Gewalt hat sich eng am Wortlaut der Gesetze zu orientieren. Das wäre deutlicher. Bei Justitia muss man ganz klar formulieren, sonst geht das schief. Im Deutschen Richtergesetz steht dann auch expressis verbis Gesetz.

§ 25 Grundsatz Der Richter ist unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

aus: Deutsches Richtergesetz


Hm. Setzt natürlich voraus, dass man die Gesetze versteht. Das gelingt nicht jedem, auch nicht mit Nachhilfe. Wir kommen darauf zurück, wenn wir uns über das konkrete Urteil unterhalten, siehe 7.4 Urteil. Damit wird das dann auch schwierig mit der Rechtsbeugung. Die muss absichtlich passieren. Also im Zweifelsfalle plädiert der Richter auf Blödheit. Er hat das Gesetz einfach nicht verstanden. Normalerweise gilt "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht". Bei Richtern ist das anders: "Blödheit ist ein Persilschein."

Dann stehen im deutschen Richtergesetz ein Haufen lustiger Dinge.

§ 9 Voraussetzungen für die Berufungen
In das Richterverhältnis darf nur berufen werden, wer

1.Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist,
2.die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt,
3.die Befähigung zum Richteramt besitzt (§§ 5 bis 7) und
4.über die erforderliche soziale Kompetenz verfügt.

Alter Schalter!! Da müssen wir bei 7.4 Urteil noch mal darauf zurückkommen, wenn wir über das Urteil reden, das diesem Fall zugrunde liegt: "Über ausreichende soziale Kompetenz verfügt." Na, was heißt das schon genau und im Übrigen ist Papier geduldig und grau ist die Theorie sowieso. Absatz 2 ist auch merkwürdig. Eigentlich soll sich der Richter ja an Gesetze halten, das schließt das Grundgesetz ja mit ein. Aber wenn das Grundgesetz hilft, das "Recht" ein bisschen einzuschränken, ist das ok. Historisch hat es nicht geholfen. Die Weimarer Verfassung beugte sich dem völkischen Recht und in der DDR hat man einfach regelmäßig die Verfassung geändert.

Aber zurück zu unseren Überlegungen, Justitia systemisch zu kontrollieren. Das Justizministerium Niedersachsen will also die Kosten- und Leistungsrechnung einführen, aber eine richtige Wirkung soll selbige nicht entfalten. Die Richter sollen eher Buße tun ob der performanten Leistung ihrer Kollegen, tun sie das aber nicht, passiert auch nichts.

Wir erfahren nun auf Tausenden von Websites, dass Justitia nicht "ökonomisiert" werden darf, Benchmarketing überhaupt nicht geht, die richterliche Unabhängigkeit ein hohes Gut ist, die Qualität der richterlichen Arbeit sich objektiven Maßstäben entzieht etc. etc.. Dieser Ansicht scheinen die Rechtsanwälte zu teilen, denn auch Eugen Klein, der Rechtsvertreter des Klägers in diesem Verfahren, äußerte sich im Verfahren dahingehend, dass Recht letztlich eine rein subjektive Ermessensfrage des Richters sei. Der Bemerkung hat Frau Benz vom Amtsgericht Hannover zumindest nicht widersprochen, sie erschien ihr also wahrscheinlich plausibel.

Man könnte jetzt versuchen, irgendwelche Kriterien zu finden, anhand derer die Leistungsfähigkeit gemessen werden kann. Zum Beispiel bei der Beförderung müsste die "Qualität" ja irgendwie eine Rolle spielen, auch wenn wir gelernt haben, dass Benchmarketing, also der Vergleich der Leistungsfähigkeit einzelner Richter etwas ist, was gar nicht geht. Nach dieser Logik müssten dann alle Richter befördert werden. Das Alter dürfte im Übrigen auch keine Rolle mehr spielen, denn das wäre auch so eine Art Benchmarketing. Beförderung rein nach Alter, bzw. automatische Erhöhung der Bezüge allein in Abhängigkeit vom Alter ist aber irgendwie noch akzeptables Benchmarketing. Zwar wird da auch verglichen und folglich diskriminiert, aber für das Alter kann der einzelne Richter ja nix, von daher ist das akzeptiert, wenn auch das schnöde Wort Alter vermieden wird, es heißt Erfahrungsstufen.

Zum 01.07.2009 gelten neue Besoldungstabellen. Sie sind durch das Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz) eingeführt worden.

Das neue Besoldungsrecht sieht auch für Richter sogenannte "Erfahrungsstufen" vor.
Einstieg ist die Stufe 1. Sind einschlägige und über die Laufbahnvoraussetzungen hinausgehende Vortätigkeit nachgewiesen worden, kann eine Einstufung auf einer höheren Stufe erfolgen.
Die Stufe 2 wird nach 2 Jahren Erfahrungszeit erreicht, Stufe 3 nach weiteren 3 Jahren. Die Stufe 4 und 5 werden jeweils ebenfalls nach 3 weiteren Jahren erreicht.
Für den Aufstieg in die Stufen 6, 7 und 8 werden jeweils 4 Jahre benötigt.
Für R3 bis R10 gibt es keine Stufeneinteilung.

aus: Richterbesoldung

Die Erhöhung der Grundbezüge aufgrund von Erfahrungsstufen, von Alter sprechen wir nicht, hat nichts zu tun mit der Eingruppierung in R1, R2, R3 etc. da spielt dann die Beförderung eine Rolle, die aber wahrscheinlich, genau müssen wir das noch prüfen, nichts mit Benchmarketing zu tun hat. Man startet also bei R1 mit 3400 Euros und nach 23 Jahren (2 + 3 + 3 + 3 + 4 + 4 + 4) landet man bei 5650 Euros. Im Detail ist das mit den Erfahrungsstufen aber schwierig. Das Wort "Erfahrung" suggeriert irgendwie größere Kompetenz. (Wobei wir bei Juristen da vorsichtig sind. Wir könnten da denselben Fehler machen, den Mephistopheles in Faust schon als für das Menschengeschlecht typisch charakterisiert hat: Es denkt der Mensch / wenn er nur Worte hört / dass sich dabei auch etwas denken lasse.) Aber gehen wir mal als Arbeitshypothese davon aus, dass Wörter eine Bedeutung haben. Wenn also das Wort Erfahrungsstufe meint, dass die Arbeit qualitativ mit dem Alter steigt, dann muss es ja doch, ganz im Gegensatz zu dem, was wir bisher gelernt haben, irgendeine Möglichkeit geben, Qualität zu messen. Ist dem nämlich nicht so, hätte man den Begriff Erfahrungszeit auch schlicht streichen können. Tatsächlich ist das ein Problem, wie wir hier lesen. Das alles klingt verdächtig nach Benchmarketing, das müssen wir ablehnen und das wird auch abgelehnt, wie wir hier lesen.

Einige Richter haben gegen die Erfahrungsstufen geklagt. Die meinten, die Erfahrungsstufen seien lediglich Alterstufen, so dass die Erfahrungsstufe eine Diskriminierung der Jüngeren wäre und folglich die Besoldung der Jüngeren an die Besoldung der Älteren anzupassen sei. Der Klage wurde stattgegeben.

Die Neunte Kammer des VG gab den Klagen statt. Es verneinte die Möglichkeit, die unmittelbare Diskriminierung, die aus den streitgegenständlichen Besoldungsregeln hervorgeht, ausnahmsweise zu rechtfertigen. Deckungsgleichheit zwischen Lebensalter und Erfahrungsstufe konnte das Gericht zudem nicht feststellen.

aus: "Erfahrungsstufen" verstoßen gegen Verbot der Altersdiskriminierung

Die Urteile hierzu sind aber unterschiedlich. Dem Urteil stimmt der Autor zu: WEHRET DEN ANFÄNGEN!! Zuerst wird ein bisschen Benchmarketing beim Alter gemacht und dann kommt es immer dicker. Also alle gleich nach der höchsten Besoldungsstufe bezahlen. Das ist über eine Erhöhung der Streitwerte auch locker refinanzierbar. Das ist viel Luft drin.

Der Leser springt jetzt gleich aus dem Fenster? Ganz ruhig, ganz ruhig. Alles ist gut. Alles ist in Ordnung. Wir leben in der BRD, hier gilt die marktwirtschaftliche Ordnung. Preise sind Knappheitssignale, veranlassen Leute, sich für Jobs zu qualifizieren, die knapp sind. Bezahlt wird nach Leistung. Alles ist gut, alles ist gut. Nicht aufregen. Wir reden hier über einen kleinen Bereich, der nicht so funktioniert, wie wir das täglich erleben. Deswegen muss man nicht gleich durchdrehen.

Jetzt kommt aber der eigentliche Challenge. Wie schafft man eine Beförderung, ohne Benchmarketing. Das Verfahren der Ernennung und Beförderung von Richtern ist jetzt kompliziert. Geregelt ist das, für Berlin, in § 2 des Richtergesetzes.

§ 2 Berufung und Ernennung

(1) Über die Berufung und Beförderung der Richter, mit Ausnahme der vom Abgeordnetenhaus zu wählenden Präsidenten der oberen Landesgerichte, entscheidet der Senator für Justiz gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss. Gehört der einzelne Gerichtszweig nicht zum Geschäftsbereich des Senators für Justiz, entscheidet das für diesen Gerichtszweig zuständige Mitglied des Senats gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss und im Benehmen mit dem Senator für Justiz. Spätestens dreieinhalb Jahre nach der Ernennung zum Richter auf Probe oder spätestens zwei Jahre nach der Ernennung zum Richter kraft Auftrags ist der Richterwahlausschuss zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob er der Berufung zum Richter auf Lebenszeit zustimmt. Diese Entscheidung ist spätestens drei Jahre und neun Monate nach der Ernennung zum Richter auf Probe oder zwei Jahre und drei Monate nach der Ernennung zum Richter kraft Auftrags zu treffen. Ist gemäß Satz 1 über die Berufung oder Beförderung eines Richters entschieden, so ist er zu ernennen.
(2) Bei der Berufung zum Richter auf Probe kann der Richterwahlausschuss in Ausnahmefällen auch nachträglich entscheiden; die Entscheidung ist alsbald, spätestens sechs Monate nach der Ernennung, herbeizuführen. Lehnt der Richterwahlausschuss die Berufung zum Richter auf Probe ab, so ist der Richter zu entlassen.
(3) Vor der Entlassung eines Richters auf Probe oder eines Richters kraft Auftrags ohne dessen schriftliche Zustimmung ist der Richterwahlausschuss zu hören.
(4) Bei einer erneuten Berufung eines wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Richters, der wieder dienstfähig geworden ist, ist nach Absatz 1 zu verfahren.
(5) Der Senat ernennt und entlässt die Richter. Er kann dieses Recht auf die oberste Dienstbehörde übertragen.
aus: www.richterverein.de

Das wird jetzt mächtig kompliziert. Wir erkennen hier eine allgemeine Regel. Wo der Markt nicht sanktioniert, kontrolliert, steuert und wertet haben wir andere Mechanismen, die dann mächtig kompliziert sind. Die Reduktion von Komplexität führt zu Transparenz und die Transparenz hat in einer Demokratie einen hohen, kaum zu überschätzenden Wert an sich. Wir gehen darauf in der www.economomics-reloaded.de ausführlich ein.

Übersetzen wir das Geschwurbel oben mal ins Deutsche. Der Präsident der oberen Landesgerichte wird direkt vom Abgeordnetenhaus gewählt. Die Richter werden dann vom Richterwahlausschuss und vom Senator für Justiz gewählt, wenn der zuständig ist, z.B. bei der Strafgerichtsbarkeit ist das so, oder vom Richterwahlausschuss und vom Senator der zuständig ist, z.B. bei Verfahren nach SGB eben der Senator für Soziales (Was in Flächenländern der Minister ist, ist in Stadtstaaten ein Senator). Für den Richter auf Probe bewirbt man sich einfach nach dem Jurastudium. Die Chancen dürften aber bei der allgemeinen Juristenschwemme schlecht stehen. Ist man dann mal Richter auf Probe bzw. Richter kraft Auftrag (dann war man vorher schon verbeamtet, wird aber in der neuen Funktion davon entbunden, irgend jemandes Weisungen befolgen zu müssen) muss nach 3 1/2 Jahren der Richterwahlausschuss darüber befinden, ob der- / diejenige jetzt eine Ehe mit dem Staat eingeht (bis dass der Tod euch scheidet). Aber wer ist der Richterwahlausschuss? Den Richterwahlausschuss bestimmt grob gesagt das Abgeordnetenhaus (Abgeordnetenhaus ist das, was man in der Fläche Parlament nennt). Das, also der Richterwahlausschuss, sind insgesamt 14 Personen. 8 davon sind Abgeordnete, die vom Abgeordnetenhaus gewählt werden, zwei werden aus einer Vorschlagsliste gewählt, die von allen ständigen Richtern zusammengestellt wird (hängt wahrscheinlich bei den Gerichten ein Zettel und jeder darf seinen Namen eintragen oder so ähnlich) und einen weiteren erwählt das Abgeordnetenhaus aus einer Liste der Rechtsanwaltskammer. Vereinfacht:

Abgeordnentenhaus wählt alle.

8 davon sind Abgeordnete
2 sind Richter
1 ist Rechtsanwalt

Das sind dann ständige Mitglieder. Dazu kommt dann noch, ebenfalls vom Abgeordnetenhaus über eine Liste gewählt, die nichtständigen Mitglieder (Was das ist, steht nicht so richtig im Gesetz. Vermutlich werden diese Mitglieder immer hinzugezogen, wenn ein Richteramt in dem entsprechenden Rechtsbereich zu besetzen ist.)

1 Staatsanwalt
1 Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit (ordentlich ist Zivil- / Strafrecht, Verwaltungsrecht ist z.B. unordentlich)
1 Richter Verwaltungsgericht
1 Richter vom Finanzgericht
1 Richter vom Arbeitsgericht
1 Richter vom Sozialgericht

Etwas rätselhaft ist der § 12 Abs.2

(2) Die Wahl jedes Mitglieds bedarf der Mehrheit der anwesenden Abgeordneten.
aus: § 12 Wahl des Richterwahlausschusses

Gemeint ist wohl die relative Mehrheit (entfallen auf die Person X in Liste Y 40 Stimmen, auf die anderen 36, 24, 39 dann hat X die relative Mehrheit) der anwesenden Abgeordneten, wobei die Entsendung der Mitglieder in den Richterwahlausschuss wohl nach dem gleichen Verfahren erfolgt, wie auch die Entsendung von Mitgliedern in sonstige Ausschüsse, Verfahren nach d´Hondt, so dass, was die Mitglieder aus dem Parlament angeht, jede Partei entsprechend ihrer Sitze im Senat / Landtag / Parlament vertreten ist.

Das ist dann der Richterwahlausschuss. (Wir interessieren uns ja eigentlich nur wie das Benchmarketing funktioniert, aber das zieht sich jetzt ein bisschen, da sind ein paar Präliminarien zu klären. Das ist so bei Justitia.)

Welche Ziele man erreichen will, wenn man die Wahl der Richter von einem Richterwahlausschuss abhängig macht, ist mehr als unklar. Vermeiden will man offensichtlich, dass die Berufung der Richter völlig politisch determiniert ist. Der Richterbund moniert jetzt natürlich, dass über die Einstellung / Beförderung von Richtern "politisch" und nicht nach Qualifikation entschieden wird, allerdings lässt er leider offen, wie man Qualifikation konkret misst.

Wir interpretieren diesen Absatz so, dass der Justizminister / Senator des Landes einen Vorschlag macht und der Richterwahlausschuss, in dem ja die Regierungspartei die Mehrheit hat, diesen Vorschlag dann abnickt.

Justizminister Dr. Volkmar Schöneburg: „Ich freue mich, dass der Richterwahlausschuss meinem Vorschlag gefolgt ist und wir die Sozialgerichtsbarkeit dauerhaft mit weiteren Richterkräften verstärken können. Es handelt sich bei allen um besonders befähigte und tatkräftige Juristen, die sich in einem großen Bewerberfeld durchgesetzt haben. Mit den in diesem Jahr ergriffenen Personalmaßnahmen werden die Sozialgerichte in die Lage versetzt, dem Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf effektiven, das heißt auch zeitnahen, Rechtsschutz besser gerecht zu werden“.

aus: Richterwahlausschuss wählt neue Sozialrichte

Interpretiert man diesen Abschnitt, dann scheint für Herrn Schöneburg Befähigung eine Rolle zu spielen, wie immer er diese auch misst. Wenn man sie aber objektiv messen kann, dann kann man sie auch ökonomisch messen. Man müsste dann bei den Kostenträgern nicht auf einen Durchschnitt rekurrieren, sondern könnte ihn in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad mit einem Gewichtungsfaktor versehen. So gehen ja auch Rechtsanwälte vor. Dann wäre aber auch das Argument, dass die "Rechtssprechung" nicht ökonomisiert werden darf hinfällig. Wenn sich der Schwierigkeitsgrad messen lässt, dann lässt sich auch die Tatkräftigkeit, Zeitnähe und Effizienz messen. Richter wären dann objektiv daran zu messen, wie viele Verfahren mit einem bestimmten Schwierigkeitsgrad sie innerhalb einer bestimmten Zeit abarbeiten können. Ein Richter der 100 Verfahren im Urheberrecht mit dem Gewichtungsfaktor 1 abarbeitet wäre dann so tatkräftig und effizient wie ein Richter, der 50 Verfahren mit einem Gewichtungsfaktor von 2 abarbeitet. Daran würden sich dann auch die Gerichtskosten orientieren. Der schwierige Fall wäre dann, in diesem Beispiel, doppelt so teuer wie der einfache. Das wäre zwar immer noch vage, aber durch eine parallele Veröffentlichung der Urteile, könnte man sich ein Bild machen und der öffentliche Druck wird geeignet sein, die Gewichtungsfaktoren auf eine realistische Höhe zu bringen. Das jetzige Verfahren, die Berechnung aufgrund eines nebulösen Streitwertes, lässt nicht mal eine Diskussion zu. Hat man ein objektives Verfahren, kann man sich alle Richterwahlausschüsse sparen. Die Beförderung orientiert sich an der Leistung, die Einstellung nach der Examensnote, denn auch die Examensnote müsste ja, andernfalls wäre sie unsinnig, die Leistungsfähigkeit objektive dokumentieren.

Es dürfte ziemlich schnuppe sein, ob in einem Richterwahlausschuss eher die Politik oder eher die Richter dominieren. Will erstere Einfluss auf die Rechtssprechung nehmen, dann sollen sie entsprechende Gesetze machen. Letztere sollen Gesetze effizient und voller Tatendrang anwenden, allerdings so, wie sie dastehen. Was nicht geht, ist, dass die Politik ein Gesetz macht, z.B. § 97 a UrhG, Deckelung der Abmahnung auf 100 Euro in einem einfachen, nicht geschäftlichen, erstmaligen Fall und die Gerichte den Paragraphen schlicht nie anwenden, weil jeder Fall ganz schrecklich kompliziert ist. Wenn das Bundesministerium für Justiz die Sachlage zutreffend erkannt hat, dann wäre es mal an der Zeit, das Gesetz etwas zu präzisieren.

5. Beseitigung von Missständen bei urheberrechtlichen Abmahnungen Auch im Bereich von Abmahnungen nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) gibt es ernstzunehmende Berichte über Missstände. Hier soll anwaltlichen Geschäftsmodellen Einhalt geboten werden, bei denen die massenhafte Abmahnung von Internetnutzern wegen Urheberrechtsverstößen zur Gewinnoptimierung betrieben wird und vorwiegend dazu dient, gegen den Rechtsverletzer einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Es ist den Rechtsinhabern und der Legitimität der Durchsetzung ihrer Rechte abträglich, wenn durch solche Geschäftsmodelle das grundsätzlich auch in anderen Bereichen bewährte und effektive zivilrechtliche Institut der Abmahnung in Misskredit gebracht wird, weil der eigentliche Abmahnzweck, nämlich die Beseitigung und die Unterlassung der Verletzungshandlung in den Hintergrund rückt. Bei Abmahnungen nach dem UrhG begrenzt die geltende Regelung des § 97a Absatz 2 UrhG den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen wegen Urheberrechtsverletzungen auf 100 Euro. Die Vorschrift wurde mit dem Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (BGBl. I S. 1191) eingeführt. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Regelung den Zweck, einen angemessenen Ausgleich der Interessen aller Beteiligten zu gewährleisten. Einerseits müssen Urheber und Leistungsschutzberechtigte ihre Rechte schützen und sich dabei auch anwaltlicher Hilfe bedienen können. Andererseits bestand damals wie heute in bestimmten Fallkonstellationen ein berechtigtes Interesse der Verletzer von Urheberrechten, bei Abmahnungen für erste Urheberrechtsverletzungen keine überzogenen Anwaltshonorare bezahlen zu müssen. Jedoch erfüllt der geltende § 97a Absatz 2 UrhG nach den bisherigen Erfahrungen den mit seiner Einführung verfolgten Zweck nicht. Insbesondere die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „einfach gelagerter Fall“ und „unerhebliche Rechtsverletzung“ führt zu einer Unsicherheit der Betroffenen. Diese Unsicherheit hält sie wegen des oft nicht abschätzbaren Kostenrisikos häufig davon ab, den Sachverhalt gerichtlich klären zu lassen. Stattdessen nehmen sie oftmals das mit der Abmahnung vorgelegte „Vergleichsangebot“ an. Es vermehren sich die Beschwerden über anwaltliche, komplett auf Textbausteinen basierende und ohne individuelle Überprüfung ausgesprochene „Massenabmahnungen“ mit Forderungen von durchschnittlich 700 Euro. Dabei richten sich die Beschwerden von Betroffenen häufig nicht dem Grunde nach gegen eine Abmahnung und die darin behauptete Rechtsverletzung, sondern insbesondere gegen die Forderungshöhe. Angesichts eines weitgehend automatisierten Verfahrens bei solchen Massenabmahnungen wird die Höhe dieser Forderungen als missbräuchlich empfunden. Die hohen Forderungen lassen vermuten, dass die Abmahnung von Urheberrechtsverletzungen im Internet teilweise der Erschließung einer neuen Einkommensquelle dient, die einträglicher ist als die Lizenzierung geschützter Werke.

aus: Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken

Genau genommen geht es noch ein bisschen weiter. In diesem konkreten Fall meinte Frau Benz, dass die Aufforderung unsererseits den Vorfall gerichtlich klären zu lassen, eine Drohung darstellt und der Fall wurde kompliziert, durch das verbale Auftreten des Autors, siehe 7.4. Urteil. Wir werden darauf zurückkommen, wenn wir uns konkret mit dem Urteil beschäftigen. Sollten also unbestimmte Rechtsbegriffe der "Ökonomisierung" des Rechts entgegenstehen, weil die Schamanen, die allein geweiht sind, das Reich des Rechts und der Gerechtigkeit zu betreten, in ihrer tief bewegten Brust nach der Wahrheit fanden müssen, so ließe sich das Problem auch dadurch lösen, dass man die Anzahl der unbestimmten Rechtsbegriffe reduziert.

Fazit: Der Autor ist für eine totale Ökonomisierung von Justitia auf Grundlage der Kosten- und Leistungsrechnung. Allerdings nicht für die harmlose und konsequenzlose Variante, sondern für die Variante Festlegung der Gerichtskosten auf Basis einer Kostenträgerrechnung ohne Quersubventionierung. Was an der Rechtssprechung ein externes Gut ist, soll der Steuerzahler bzw. die Allgemeinheit bezahlen, genauso wie das auch bei der Feuerwehr, der Polizei, Forschung und Entwicklung etc. etc. der Fall ist.


 


update
Vorwort
Ausgangspunkt


Das Urheberrecht aus
oekonomischer Sicht


Abmahn und Gegenabmahnindustrie


Rahmenbedingungen
der Rechtsanwaelte
Diskussion
der Problematik ausserhalb systemischer Zusammenhaenge


Detaillierte Darstellung des Verfahrens
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