7.5 Verhandlung Landgerich

Die ganz prinzipielle Frage, die zu stellen ist, ist die nach dem Sinn mündlicher Verhandlungen. Hat ein Richter keine Lust, und Beamte sind nie so richtig lustig, dann genügen sie zwar den formalen Anforderungen, das heißt eine mündliche Verhandlung findet statt, wird aber auf fünf Minuten begrenzt. In diesem Fall dauerte die Verhandlung beim Amtsgericht 20 Minuten, beim Landgericht 60 Minuten, ohne dass ein Zusammenhang zwischen Erkenntnisgewinn und Zeitdauer der Verhandlung feststellbar wäre. Um die Details des Ablaufs der Verhandlung vor dem Landgericht zu verstehen, muss man entweder das im Teil Verhandlung Amtsgericht (Kurzfassung) oder das im Teil Urteil (Langfassung) zumindest überflogen haben.

Formal genügen Richter auch der Pflicht zur Erstellung eines Protokolls, allerdings ist, selbst wenn dort nicht blanker Unsinn steht, dieses Protokoll weitgehend irrelevant. Relevant kann es nur sein, bei einer sehr präzisen Argumentation, wenn es also auf die Aussagen einzelner Zeugen, Parteien entscheidend ankommt und diese Aussagen dann präzise festgehalten werden. Denkbar ist so was bei Verkehrsunfällen, wenn z.B. ein Zeuge aussagt, dass Fahrer XY am XX.XX.XXXX um XX:XX Uhr aus einer Hofausfahrt hinausfuhr ohne sich zu vergewissern, ob sich nicht ein Fahrradfahrer auf der Radspur nähert. Wird "irgendwas" protokolliert, was eigentlich gar keine Bedeutung hat und für die Argumentation im Urteil keine Rolle spielt, wie hier, dann kann man sich die Protokollierung natürlich auch sparen. Irrelevantes braucht man nicht zu protokollieren. Mit der Protokollierung irrelevanter und nicht strittiger Sachverhalte, kann man aber viel Zeit verbringen. Wenn man also keine Lust hat, verdödelt man die Zeit mit irgendwas und braucht dann über die eigentlich strittigen Fragen gar nicht mehr diskutieren.

Konzediert sei, dass unser Rechtsanwalt, also Mathis Gröndahl, die Steilvorlage geliefert hat.

Der in der Klageschrift vom 14. Dezember 2011 angebotene Beweis über die Rechteübertragung ist vom erstinstanzlichen Gericht - trotz Bestreitens der Rechteübertragung durch die Beklagten - nicht erhoben worden. Die Klägerin ist daher beweisfällig geblieben. Die Annahmen des erstinstanzlichen Gerichts, die Klägerin und Berufungsbeklagte sei nutzungsberechtigte Lizenznehmerin, ist daher fehlerhaft erfolgt. Das ist umso bedeutender, da die Aktivlegitimation davon abhängt. Die Nichtbeachtung durch das erstinstanzliche Gericht bezüglich dieses Beweises der Verwertereigenschaft ist rechtsfehlerhaft.

Der Autor hat das schlicht für juristentypisches Blabla gehalten, Juristen schreiben eben Briefchen und im Grunde ist es irrelevant. Tatsächlich hat aber Herr Kleybolte, Richter Landgericht Hannover, die Steilvorlage genutzt und fast die Hälfte der Zeit mit einer sinnfreien Befragung verbracht. Festgestellt hat er dann, dass der Urheber der Urheber ist, was eh klar war, und dass die Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte hatte, wobei letzteres aus analytischer Sicht einen Nährwert hat, denn es ist aus zwei Gründen kompletter Unsinn, wie wir noch sehen werden.

Auf jeden Fall sollte man bei juristischen Schriftsätzen aufpassen und sie kontrollieren. Auch wenn es nur Blabla ist, kann es zu allen möglichen Kapriolen führen.

Ursprünglich kam auch dem Autor die Geschichte ein bisschen merkwürdig vor, weil die Ehefrau die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Bildern ihres Mannes hat, bzw. dies behauptet und es die Ehefrau ist, die diese Ansprüche nach außen gelten macht. Mailt man allerdings die Ehefrau an, antwortet der Ehemann. Damit war für den Autor die Sache im Prinzip klar und er hat das auch nicht weiter verfolgt. Über die Gründe, warum er seine Frau vorschickt, kann man spekulieren, ist aber rechtlich irrelevant. Auf jeden Fall hält die Ehefrau den Ehemann ziemlich kurz, denn vor Gericht gibt er am 19.09.2011 zu Protokoll.

Ich werde gemäß dem seinerzeit geschlossenen Pachtvertrag mit 10 % der Nutzungssumme an den erlösenden (sic!!) Bildern beteiligt. Das ist meine Lizenzgebühr.

Speziell beim Taumel Lolch, Lolium Temulentum auf Lateinisch, kann man sich eine gewisse Erlösung noch vorstellen, denn er ist von einem Pilz befallen, der wiederum Alkaloide enthält, eine hallozinogene Substanz. Beim Taumel Lolch liegt aber offensichtlich die Besonderheit vor, dass allein schon die Betrachtung Halluzinationen hervorrufen kann, ein echtes Teufelskraut also.

Die Steilvorlage unseres Rechtsanwaltes hat sich Herr Kleybolte vom Landgericht Hannover natürlich nicht entgehen lassen und den Urheber als Zeugen geladen. Dieser bestätigte vor Gericht dann noch mal, dass er der Urheber der streitgegenständlichen Bildes ist, was wir ihm allerdings, da wir ja die etwas kuriose oben beschriebenen Verflechtung bereits entflochtet hatten, ohnehin glaubten und auch plausibel ist, denn jeder, der eine Kamera halten kann, kann ein solches Bild machen. Mit dieser sinnfreien Feststellung hat Herr Kleybolte von der einen Stunde schon mal 20 Minuten rumgebracht, denn zur Vernehmung des Zeugen gesellte sich noch der Kampf mit den Aufnahmegeräten. (Tip des Autors: Nimmt man Töne mit einem Computer auf, ist es einfacher. Computer zu Beginn der Verhandlung einschalten und am Ende wieder ausschalten. Dann wird die ganze Verhandlung aufgenommen und das vor und zurückspulen, Knöpfchen drücken, wiederholen etc. entfällt.)

Was dann kam, liest sich im Protokoll wie folgt. (Inhaltlich ist das Protokoll zwar sinnlos, aber einen Unterhaltungswert hat es.)

Die Kammer (eigentlich Herr Kleybolte, denn die anderen zwei Richter waren stumm wie Fische) wies dann darauf hin, dass der Tenor des Urteils Ziffer 1 (das ist die Geschichte mit der von beiden Beklagten GESAMTSCHULDNERISCH zu unterschreibenden Unterlassungserklärung) fehlerhaft sein dürfte. Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung als Gesamtschuldner, dürfte nicht möglich sein, da sie insoweit nicht als Gesamtschuldner haften, sondern jeder für sich.

Rechtsanwalt Lucht erklärte:

Ich möchte jetzt den Sachbearbeiter anrufen. Ich bitte die Verhandlung um 5 Minuten zu unterbrechen.

Die Kammer wies darauf hin, dass der Beklagtenvertreter (in der Berufungsinstanz wird aus dem ursprünglichen Kläger der Beklagte) nunmehr selbst die Beklagten zu vertreten hat. Er wird daher in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen haben, ob der gegenwärtig gestellte Antrag sachgerecht und rechtlich inhaltlich zutreffend ist.

Rechtsanwalt Lucht stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 21.08.2012 (BI.132 d.A) mit der Maßgabe, dass bezüglich der Verurteilung zu Ziffer 1. des Tenors der Passus "als Gesamtschuldner" entfällt.

Das wiederum ist nicht richtig. Das Protokoll suggeriert, dass der Hinweis von Herrn Kleybolte, dass er, also Herr Lucht, die Beklagten rechtlich zu vertreten habe ausgereicht hätte, ihn zur Einsicht zu bringen. Dem ist absolut nicht so, ganz und gar nicht. Was ihn zur Einsicht brachte war die schlichte Mitteilung, dass der Klageabweisung stattgegeben würde, wenn der Passus nicht gestrichen wird. Er hat also massiv in das Verfahren eingegriffen, Herrn Lucht, der beim Landgericht Rechtsanwalt Klein von ActiveLaw vertrat, massiv, in sehr forschem Ton und wiederholt bedrängt und ihm hierbei auch Mangel an grundlegendsten juristischen Kenntnisse bescheinigt. Er tat dies wahrscheinlich, weil er erkannt hat, dass Herrn Lucht jeder Durchblick fehlt. Er hat nicht erkannt, warum ein Urteil, das zwei Beklagte gesamtschuldnerisch auf Unterlassung verurteilt nichtig wäre und von daher nicht erlassen werden kann. Das ergibt sich aus seinen Schriftsätzen. Obwohl das Thema gesamtschuldnerische Haftung bei Unterlassungsschulden von Anfang an ein Thema war, schon im ersten Schriftsatz des Autors an das Amtsgericht ausführlich erläutert wurde, hat es Rechtsanwalt Lucht bis zum Schluss nicht begriffen, wahrscheinlich begreift er es auch heute noch nicht, denn im Kostenfestsetzungsbescheid hat er wieder auf gesamtschuldnerisch erkannt. Kurz vor der Verhandlung beim Landgericht Hannover hat unser Anwalt noch versucht, ihm das zu erklären.

Das erstinzantliche Gericht hat unter falscher Rechtsanwendung angenommen, die Beklagten könnten für die Unterlassungsverpflichtung gesamtschuldnerisch verpflichtet werden.

Schuldner eines Unterlassungsanspruches stehen sich aber nicht als Gesamtschuldner gem. § 421 S.1 BGB gegenüber, weil es nicht ausreichend wäre, wenn nur einer von ihnen erfüllt (vgl. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 97 UrhG, Rn.151).

Hat aber nicht geholfen. Herr Kleybolte schreibt dann im seinem Schriftsatz.

Die Voraussetzungen einer Gesamtschuld gemäß § 421 S.1 BGB sind hingegen nicht gegeben. § 840 Abs.1 BGB begründet eine solche lediglich für Schadensersatz-, nicht jedoch für Unterlassungsansprüche. (Warum er das ins Urteil mit hinein geschrieben hat, ist im Übrigen schleierhaft, denn es war ja, nachdem er Herrn Lucht so unzart überredet hat, ohnehin kein Thema mehr.)

Der Autor befürchtet aber, das wird nicht helfen. Sowohl Herr Klein, wie auch Herr Lucht wie auch Frau Benz werden weiterhin eine gesamtschuldnerische Haftung für Unterlassungsschulden für möglich halten. Da sind die eisern. Juristische Details sind aber im Grunde auch völlig egal. Gesetze sind in der Juristerei lediglich eine vage Hilfe zur Verbalisierung vager Assoziationen. Der Kostenfestsetzungbescheid ging dann wieder gesamtschuldnerisch. Um dagegen vorzugehen, hätte man das ganze Ding nochmal aufrollen müssen. Justitia weiß, dass auch die hartgesottenste Partei, die ein Verfahren nur zu Testzwecken führt, irgendwann aufgibt.

Dann hat Herr Kleybolte noch festgestellt, dass die Frage der Anwendbarkeit bzw. nicht Anwendbarkeit des § 51, Bildzitat als Schranke im Urheberrecht, der rein subjektiven Einschätzung des Richters unterliegt. Wir kommen gleich, wenn wir uns mit dem Urteil konkret befassen, darauf zurück.

Damit war die Verhandlung vorbei, ohne dass irgendein relevanter Tatbestand angesprochen wurde, was wohl sowohl für Herrn Kleybolte als auch für Herrn Lucht auch günstiger war. Wären die eigentlichen Probleme angesprochen worden, z.B. MfM Tarife, hätten sie zeigen müssen, was sie tatsächlich auf der Pfanne haben. Sie hätten dann erstens zeigen müssen, dass sie genau wissen, was im § 97 UrhG tatsächlich drinsteht und sie hätten zweitens zeigen müssen, dass sie einen Überblick über die aktuelle Rechtssprechung haben.

Last not least: Vermutlich hat Herr Kleybolte den Schriftsatz von Frau Benz gelesen. Er wusste also, dass die Höhe des nach der Lizenzanalogie zu zahlenden Betrages die entscheidende Frage war. Er wusste, wie diese Frage hätte eindeutig beantworten werden können. Herr Kleybolte hätte den Zeugen, also den Urheber, der ja bereits vor ihm saß, schlicht fragen und damit allen Spekulationen ein Ende setzen können. Das hatte er nicht getan. Das legt die Vermutung nahe, dass ihm das Ergebnis dieser Befragung voll bewusst war. Man hätte ja noch argumentieren können, wenn man den Zeugen hätte extra einbestellen müssen. Aber er saß leibhaftig vor ihm. Er hätte also ohne weiteres, in zwei Minuten, das tun können, was das Oberlandesgericht Braunschweig, bzw. das Landgericht Kassel, das sind die zwei Urteile, die Frau Benz sinnenstellend zitiert, siehe 7.4 Urteil, tatsächlich tun.

Aus der Sicht des Controllings, siehe 2.2.3 Die Kosten- und Leistungsrechnung in der Justiz, ist nun natürlich nicht nur die Tatsache interessant, dass man die mündliche Verhandlung auch auf 5 Minuten hätte kürzen können, denn praktisch wurde ja nichts irgendwie Relevantes gesagt, insbesondere wurde über keinen einzigen strittigen Punkt verhandelt und die Nachhilfe in Grundlagen des Rechts hätte man anders durchführen können, zumal keineswegs gewährleistet ist, dass Frau Benz, Herr Lucht oder Herr Klein jetzt wissen, was eine gesamtschuldnerische Haftung ist und warum das bei Unterlassungsschulden nicht geht. Interessant ist auch die Frage, ob drei Richter hier sinnvoll sind oder ob 1 ein bzw. 1/2 Richter den Zweck genau so gut erfüllt hätte.

Die Frage stellt sich umso mehr, als wir auch hier wieder, siehe 7.6. Urteil massive Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts haben. Jetzt aber begangen von gleich drei Richtern.

Die Aussage des Herrn Kleybolte, dass Anwendbarkeit bzw. nicht Anwendbarkeit des § 51 UrhG der rein subjektiven Bewertung des Richters unterliege, können wir, wenn wir uns das gesamte Verfahren betrachten, auch erweitern. Es unterliegt prinzipiell alles der rein subjektiven Bewertung des Richters. Ob einzelne Gesetze ignoriert oder angewendet werden, ob komplette Gesetzeswerke ausgeblendet werden oder nicht, der semantische Wert von Wörtern oder Sätzen überhaupt eine Bedeutung hat und wenn ja welche, Fakten allgemein und eigentlich alles, unterliegt der rein subjektiven Bewertung des Richters. Rechtssprechung ist damit ein reines Phantasieprodukt, das keine Beziehung hat weder zur Realität noch zu Gesetzestexten. Die Präsenz von drei Richtern führt also lediglich zu einer Potenzierung der Subjektivität. Wenn aber niemand zwischen der einfachen Subjektivität und der dreifach potenzierten Subjektivität einen qualitativen Unterschied erkennen kann, dann reicht auch die einfache Subjektivität und ein Richter tut`s genau so gut wie drei. Dieser eine Richter wiederum kann dann auch von jedem X-Beliebigen ersetzt werden. Eine rein subjektive Beurteilung kann schlicht jeder. Dafür bedarf es keinerlei Qualifikation.

 


update
Vorwort
Ausgangspunkt


Das Urheberrecht aus
oekonomischer Sicht


Abmahn und Gegenabmahnindustrie


Rahmenbedingungen
der Rechtsanwaelte
Diskussion
der Problematik ausserhalb systemischer Zusammenhaenge


Detaillierte Darstellung des Verfahrens
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