7.3 Verhandlung Amtsgericht

Das Verfahren war auf jeden Fall eine urige Erfahrung, auch wenn sie nur 20 Minuten dauerte und die Hälfte der Zeit dem Kampf mit dem Diktiergerät gewidmet war. Wie bereits hier beschrieben, siehe 2. Ausgangspunkt kann das Amtsgericht Hannover die Frage, ob es in der Wirtschaft allgemein üblich ist, seine Kinder zum Arbeitsplatz mitzubringen ohne Kenntnis des Aktenzeichens nicht beantworten. Wir hoffen, dass kein Richter mal von einem Chirurgen operiert wird, der nebenbei noch auf seine Kinder aufpasst. Möglich ist natürlich, dass Richter ihre eigene Tätigkeit als so vollkommen trivial einschätzen, als eine Tätigkeit, die sowenig Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert wie Kartoffeln kochen. In diesem Fall müssten sie die Frage, ob ein Richter sich während der Verhandlung der Erziehung seiner Kinder widmet, aber auch generell beantworten können. Ein Aktenzeichen wäre dann überflüssig.

Im Gerichtsprotokoll zur Verhandlung liest man dann viel Lustiges.

Der 2. Geschäftsführer Herr Wree erklärt persönlich: Die infos24 GmbH ist u.a. ein Houster (sic!), das ist der Zweck dieser Gesellschaft.

Wir wissen nicht, was ein Houster tut, aber wenn Frau Benz sagt, dass dies der Geschäftszweck der infos24 GmbH ist, dann wird es wohl stimmen. Die infos24 GmbH veräußert ja auch kostenlose Powertools. Grundlegende kaufmännische Zusammenhänge gelten beim Amtsgericht Hannover nicht mehr. Normalerweise gilt Umsatz = Preis * Menge, ist also eine der beiden Variablen Null, dann ist der Umsatz nicht besonders hoch, eigentlich wird dann nur theoretisch etwas veräußert. Beim Amtsgericht Hannover ist das irgendwie anders.

Eines allerdings ist rätselhaft. Wenn sie schon zutreffend feststellt, dass die infos24 GmbH ein hoster ist, also fremde Websites hostet, dann fragt man sich, warum sich nicht begriffen hat, das ein solcher eben keine Unterlassungserklärung unterschreiben kann. Er würde dann nämlich für seine Hosting Kunden haften. Aber wahrscheinlich weiß Frau Benz auch hier Rat. Wir vermuten, dass sie ein Programm entwickelt hat, das prüft, ob die via FTP upgeloadete Datei urheberrechtlich geschützt ist. Mit den Pragraphen hat sie es ja nichts so, aber in Informatik ist sie sicher top.

Richtig lustig ist aber das.

Auf Hinweis des Gerichts erklärt der Klägervertreter:

In Höhe von 180,--€ wird die Klage zurückgenommen.
- laut diktiert und genehmigt -

Es gibt in der Klageschrift nur EINEN Posten, der auf 180 Euro lautete, nämlich der geltend gemachte "Schaden" bzw. der entgangene Gewinn. Der Zuschlag wegen nicht Nennung des Urhebers ging ja zwischen dem vorgerichtlichen und der Klageschrift ohnehin verloren, siehe unser Rechtsanwalt. Geht man also vom Protokoll aus, dann hat er Eugen Klein praktisch alle Forderungen fallen gelassen, bis auf den Streitwert. Dieser wäre aber, wenn der "Schaden" Null ist, ebenfalls Null, wenn man sich an den Brauch hält, dass der Streitwert etwa das Zehnfache des "Schadens" ausmacht. Wobei wir uns da allerdings nicht sicher sein können. Vielleicht gibt die Multiplikation mit O doch noch irgendwas. Der Vorgang gibt Rätsel auf. Ging Frau Benz von dem vorgerichtlichen Schreiben aus? Einigte man sich „vorgerichtlich“ dann auf das, von dem Herr Klein sowieso wusste, dass das so gehandhabt wird beim Amtsgericht Hannover? Tatsächlich hat, siehe Urheberrechtsverletzung im Internet, das Oberlandesgericht Hannover den Zuschlag wegen nicht Nennung des Autors ziemlich prinzipiell verneint. Wahrscheinlich ist diese Entscheidung über das Flurgeflüster dann auch durchgesickert. Das Problem ist nur, dass Eugen Klein diesen Zuschlag gar nicht mehr einklagt. Es verbleiben also nur noch 180 Euro und nimmt man die auch noch weg, verbleibt eben 0 Euro. Zumindest wenn 180 - 180 = 0 ist. Das wissen wir aber nicht, denn auch Waren, die für 0 Euro verkauft werden, können gewaltige Umsätze produzieren, wie uns das Amtsgericht Hannover lehrt. (Vielleicht geht es auch um "spirituelle" Umsätze. Da kommt man dann in den Himmel, oder, buddhistisch, das Karma wird besser.)

Was das eigentlich Thema angeht, war das Verfahren wenig erhellend. Eugen Klein konzedierte zwar zwischendrin, dass die www.divina-commedia.de ein private Seite ist, beharrte aber trotzdem auf der Gültigkeit der MfM Tarife. Sein Problem war, dass die MfM gar keine Tarife für private Seiten hat. Auch auf eine etwas energischere Nachfrage seitens des Autors, konnte er die Frage nicht beantworten, wo, auf welcher Seite des vom MfM herausgegebenen Buches "Bildhonorare", ein Tarif für private Nutzung genannt wird. Das veranlasste ihn wohl zu dem Rückzieher, der allerdings seine Forderungen auf 0 Euro zurücksetze, denn die anderen 180 Euro, der Verletzerzuschlag, standen schon gar nicht mehr zur Debatte. Zumindest ergibt sich das aus den Schriftsätzen. Schlussendlich ist das aber, bei der Anzahl der Fehler auch egal. Frau Benz wird sich wieder, im Urteil, auf den außergerichtlichen Schriftsatz beziehen, bzw. von diesem Abschreiben.

In ihrem Urteil lässt sie sich dann weitschweifig über die Gründe aus, warum die www.divina-commedia.de eine "gewerbliche" Seite ist. Sie ist dies, so Frau Benz, weil die www.divina-commedia.de "werblich" für die infos24 GmbH tätig ist, die wiederum kostenlos Powertools verkauft oder „veräußert“, wie sie schreibt. Für den werblichen Effekt war wiederum das streitgegenständliche Bild, das noch nie ein Mensch aufgerufen hat, unglaublich wertvoll, denn wenn man schon zu einem Verkaufspreis von Null gewaltige Umsätze produzieren kann, dann geht das sicher auch mit einer Menge von Null. Hätte sie sich das Urteil des Oberlandesgerichtes Braunschweig, das sie sinnentstellend und ohne Quellenangabe zitiert, mal tatsächlich konzentriert durchgelesen, dann hätte sie festgestellt, dass die näheren Umstände der Nutzung eine ganz entscheidende Rolle spielen.

Wieso ein Protokoll geführt wird, ist unter diesen Auspizien weitgehend unklar, was aber für Verwaltungshandeln typisch ist. Verwaltung neigen dazu, Dinge zu tun, deren Sinn sie selber nicht verstehen, siehe Die Kosten und Leistungsrechnung in der Verwaltung. Sinnvoll ist eine Verhandlung dann, wenn die Schriftsätze vorher gelesen werden, was hier wohl nicht der Fall war, anders lässt sich nicht erklären, warum Frau Benz nicht einsehen konnte, dass es keine gesamtschuldnerische Haftung bei Unterlassungsschulden gibt, die entscheidenden Punkte in der Verhandlung angesprochen und diskutiert werden und die entscheidungsrelevanten Fakten exakt ermittelt werden. Werden nachträglich alle möglichen Dinge angeführt, die in der Verhandlung gar nicht zur Sprache kamen, dann kann man sich die Verhandlung sparen. Man braucht nicht für zwanzig Minuten von Berlin nach Hannover zu fahren, wenn von den zwanzig Minuten Richterin und Anwalt noch fünf Minuten darauf verwenden, sich über Kindererziehung zu unterhalten und fünf Minuten dem Kampf mit dem Diktiergerät gewidmet werden.

Es macht auch keinen guten Eindruck, wenn eine Richterin sich weigert, sich während der Verhandlung mal über grundsätzliche juristische Tatsachen belehren zu lassen. Hätte sie den Autor ausreden lassen, wäre ihr die Peinlichkeit mit der gesamtschuldnerischen Haftung bei Unterlassungsschulden erspart geblieben und sie hätte dann auch den Unterschied zwischen § 32 UrhG und § 97 UrhG verstanden. Damit hätte sie auch Herrn Klein geholfen. Eine Sache ist etwas nicht zu wissen. Aber eine andere Sache ist es, sich ganz prinzipiell lernunwillig zu zeigen.

Dass ein Rechtsanwalt während des Verfahrens versucht sich beliebt zu machen und während der Verhandlung kund tut, wie hier geschehen, dass richterliche Entscheidungen rein subjektiv seien, ist verständlich, aber eine Richterin sollte eben auch sehen, was das in der Konsequenz bedeutet. Dies bedeutet, dass die richterliche Tätigkeit sich jeder objektiven Bewertung entzieht, womit sie dann zur unqualifizierten Tätigkeit wird. Subjektiv etwas meinen kann jeder. Objektiv etwas wissen, ist schwieriger. Kann ein Urteil nicht anhand objektiver Qualitätskriterien, z.B. der Kenntnis des materiellen Rechts, beurteilt werden, dann wäre eine Minderleistung irrelevant, weil niemand in der Lage wäre, diese festzustellen. Eine höhere Besoldung ist der Allgemeinheit, die letztlich dafür bezahlen soll, nur zu vermitteln, wenn ein Zusammenhang zwischen Besoldung und Qualität der Rechtssprechung feststellbar ist. Werden zwei Produkte als gleichwertig eingeschätzt, ist das billigere besser. Es ist also im ureigensten Interesse der Richterschaft, solchen Aussagen entgegenzutreten. Mit einer pauschalen Aussage, dass die Rechtstaatlichkeit nur durch eine hohe und eigenständig gesetzlich geregelte Besoldung gewährleistet ist allein, wird die Richterschaft die Öffentlichkeit nicht überzeugen. Die Richterschaft tut also gut daran, solche Aussagen in laufenden Verfahren zu unterbinden. Macht ein Rechtsanwalt so eine Aussage, ist das selten dämlich. Gilt die Bindung an das Gesetz nicht mehr, gibt es also für Verfahren keine objektiven Kriterien mehr, reduziert sich deren Tätigkeit auf Schleimen. Wahrscheinlich ist das aber einem Rechtsanwalt, der mit dem Slogan wirbt Recht ist, was man draus macht nicht zu vermitteln.

Das Verfahren konnte uns also nicht davon überzeugen, dass der Weg, den Jutta Limbach beschreibt, siehe 6.2. Richter im Nationalsozialismus und in der DDR zielführend ist. Wir glauben da eher, wie bereits ausgeführt, an die bewährten Methoden der Wirtschaftswissenschaften. Kontrolle und Transparenz.

Juristisch gesehen gibt es zu dem Gerichtstermin nicht mehr viel zu sagen. Interessant ist höchsten noch, dass der Mond riesig ist, wenn man frühmorgens von Berlin nach Hannover fährt und es eigentlich ganz romantisch ist. Dass Eugen Klein jetzt noch während der Verhandlung meinte, dass juristische Laien, gemünzt auf den Autor, eben total merkwürdige Ansichten haben, ist geschenkt. Bei der hier gezeigten Leistungsfähigkeit von Eugen Klein fragt sich der Autor im Gegenzug, was Juristen eigentlich fünf Jahre lang studieren.

Es ist ein schwieriges Problem, dass Juristen nicht in ökonomischen Begriffen denken können, wie man auch an diesem Artikel sieht Ohne Schutz, der sich mit der prekären Lage von Rechtsanwälten beschäftigt. Es hagelt geradezu von ökonomisch dubiosen Aussagen.

So weit, so gut - könnte man meinen: so ist es nun einmal in einer Welt des Wettbewerbs. Das Bessere setzt sich gegenüber dem Schlechteren durch. Wozu haben wir den Markt? Daran mag richtig sein, dass heute Markttransparenz geschaffen werden konnte. Ein Markt kann aber nur über marktgerechte Preise funktionieren: sie müssen einerseits bezahlbar sein, andererseits aber dem Anbieter eine auskömmliche Lebensgrundlage ermöglichen.

aus: Ohne Schutz

Marktpreise müssen mitnichten dem Anbieter eine auskömmliche Lebensgrundlage ermöglichen. Marktpreise haben nur den Zweck, Knappheiten anzuzeigen und wenn der Marktpreis niedrig ist, wird es Zeit aus dem Markt auszusteigen. Allerdings ist es sinnvoll, wenn der Steuerzahler die Umorientierung, etwa durch Weiterbildung, finanziert, wobei dann das Problem entsteht, dass sich ein eigener, marktfremder Sektor bildet, der eben gerade nicht auf den Markt vorbereitet.

Auch hier ist die Lösung eine andere.

Es gibt inzwischen Rechtsgebiete, etwa im Arzthaftungsrecht, wo auf der Beklagtenseite (Ärzte und Versicherungen) hochqualifizierte Anwälte Kollegen gegenüberstehen, welche auf der Patientenseite oft nicht mehr wissen, wie sie den Aufwand für das Mandat noch finanzieren können. Diese Spaltung der Anwaltschaft führt so zu einem Ungleichgewicht zu Lasten der Bürger.

aus: Ohne Schutz

Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass Klagen gegen ein Krankenhaus wegen fehlerhafter Behandlung ausgesprochen schwierig sind, da das Krankenhaus das Fachwissen hat, nicht der Volljurist. Hier wäre aber die Lösung, wie auch in den anderen Bereichen, die er nennt, eine Änderung in den Zugangsbedingungen zur Rechtsberatung und Änderungen in der Ausbildung sinnvoll, siehe 5.2 Optimierung der Ausbildung. Ein Mediziner mit einem Master LL.M in Medizinrecht kann Krankenhäuser eher Paroli bieten als ein „Volljurist“, also ein Universaldilettant. Offensichtlich ist dem deutschen Richterbund zu der Anfrage des Autors auch nicht viel eingefallen, denn er hat nicht geantwortet. Der Autor hatte, siehe link, gefragt, ob spezialisierte Studiengänge in Jura verknüpft mit einem entsprechenden Fachstudium nicht zieflührender wären.

Die Probleme, die der Artikel anspricht, existieren, das ist kaum zu leugnen. Bezweifeln kann man allerdings, ob diese Probleme durch eine Erhöhung des Honorars gelöst werden. Das Problem ist die Ausbildung der Juristen und die Zugangsbeschränkung für die Rechtsberatung.

Die Argumentation ist deswegen falsch, weil er davon ausgeht, dass mehr Geld bedeutet, dass der Anwalt sich einem Fall länger widmen kann. Die Regel gilt in der Wirtschaft nie. Es ist schlicht so, dass jemand aufgrund seiner Qualifikation weniger Zeit braucht. Ein Programmierer erhält nicht mehr, nur weil er wenig Erfahrung und Übung mit einer bestimmten Programmiersprache hat. Er bekommt für einen Auftrag genau so viel, wie der Programmierer mit Erfahrung, braucht aber länger und der Programmierer der pro Stunde 200 Euro bekommt, braucht eben nur halb so lange, wie einer der nur 120 Euro bekommt.

 


update
Vorwort
Ausgangspunkt


Das Urheberrecht aus
oekonomischer Sicht


Abmahn und Gegenabmahnindustrie


Rahmenbedingungen
der Rechtsanwaelte
Diskussion
der Problematik ausserhalb systemischer Zusammenhaenge


Detaillierte Darstellung des Verfahrens
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